Hinter verschlossenen Türen
Sie auch den Zettel verbrannten, welchen Fräulein Farley bekanntlich in dem Hotel zurückgelassen. Aber vielleicht teilen Sie uns mit, was er enthielt?
Fast bloß unzusammenhängende Worte, nur ein einziger Satz war klar.
Und der lautete?
»Meine Bekannten müssen zugegen sein, das verlangt der Anstand.« Und doch hatte sie selbst die Heirat beantragt und sich bei der Unterredung, die wir am Nachmittag hielten, mit allem einverstanden erklärt, was ich in Bezug auf die Hochzeit vorzuschlagen hatte, ergänzte Molesworth.
Können Sie den Inhalt dieser Unterredung angeben?
Im allgemeinen, ja. Mildred Farley wollte als zartfühlendes Mädchen natürlich vor allem wissen, wie ich es aufgenommen, daß sie einen so entscheidenden Schritt gewagt hatte. Als ich ihr der Wahrheit gemäß mitteilen mußte, daß sie keine sehr geeignete Zeit für unsere Hochzeitsfeier gewählt habe, brach sie in Tränen aus und zeigte sich so fieberhaft erregt, daß ich sofort erkannte, sie befinde sich nicht wohl, und mich bemühte, sie zu beruhigen. Sie faßte sich auch bald wieder und hörte mir aufmerksam zu, als ich ihr auseinandersetzte, wie wir alles einrichten wollten. Auch erhob sie, wie gesagt, keinerlei Einspruch gegen meine Vorschläge.
Und wie war ihr Abschied?
Von meiner Seite liebevoll, von der ihrigen etwas gezwungen, wie mir schien. Die Krankheit steckte ihr schon in den Gliedern, das machte sie reizbar, sie fühlte sich gekränkt und verbarg es nicht. Ich hielt dies jedoch nur für eine flüchtige Verstimmung und war aufs höchste überrascht, sie bei meiner Rückkunft nicht mehr im Hotel vorzufinden.
Sie hatten die Trauung auf neun Uhr anberaumt, doch erschienen Sie schon bald nach acht mit dem Pfarrer; darf ich fragen aus welchem Grunde?
Aus Besorgnis. Je mehr ich die Sache überlegte, um so klarer wurde nur, daß bei Fräulein Farley eine ernstliche Krankheit im Anzug sei; deshalb kam ich früher zurück.Das klang alles höchst glaubwürdig, und doch war Gryce noch nicht zufriedengestellt. Er gab dem Coroner durch ein Zeichen zu verstehen, er habe noch etwas vorzubringen und schrieb einige Zeilen auf ein Papier, das er ihm zukommen ließ.
Nachdem der Beamte den Zettel gelesen, wandte er sich wieder an den Zeugen:
Waren Sie bei der bewußten Unterredung im Zimmer 153 des C-Hotel mit Fräulein Farley allein?
Ohne Frage.
Dies Zimmer ist durch Vorhänge von einem Alkoven getrennt.
Ich glaube mich an die Vorhänge zu erinnern, aber was dahinter war, habe ich nicht untersucht.
Wie können Sie dann mit Gewißheit behaupten, daß Sie allein waren?
Schnell, wie ein Blitz, fuhr ein Ausdruck des Schreckens und Entsetzens über des Doktors Gesicht. Dem Coroner entging dies nicht, so wenig wie Gryce. Dieser Blick, den er schon bei einer frühern Gelegenheit gesehen hatte, besaß für ihn mehr Beweiskraft als alle Zeugenaussagen.
Ich nahm das als selbstverständlich an, erwiderte Molesworth schon im nächsten Augenblick in völlig gelassenem Tone. Wenn Sie einen Zeugen haben, um das Gegenteil zu beweisen, rufen Sie ihn auf; er erinnert mich vielleicht noch an einige Einzelheiten der Unterredung.
Ein kühner Schachzug, aber er glückte. Es war kein Zeuge vorhanden; der Doktor sah es, die Blässe schwand aus seinem Gesicht, und ein verächtlicher Zug spielte um seine Lippen.
Das Verhör ward fortgesetzt, brachte jedoch nichts Bemerkenswertes zutage. Den Schluß bildeten noch einige Fragen ziemlich verfänglicher Natur:
Doktor Molesworth, haben Sie während Ihrer Bekanntschaftmit Fräulein Farley je Ursache gehabt anzunehmen, daß sich außer Ihnen noch ein anderer um ihre Hand bewerbe?
Dies kam unerwartet. Molesworth stutzte einen Augenblick, erwiderte dann aber mit voller Bestimmtheit:
Nein.
Leider ist durch die Erklärungen, die Sie bisher abgegeben haben, das Dunkel, welches über Fräulein Farleys Tat schwebt, nicht aufgehellt worden. Ich muß Sie daher bitten, mir zu sagen, ob Sie nichts von einer Neigung wissen, die das Fräulein etwa zu irgendeinem andern Manne gefaßt hatte.
Diesmal entgegnete der Doktor ohne Zaudern:
Mildred Farley hatte mir ihr Herz geschenkt und mir niemals Veranlassung gegeben, ihr zu mißtrauen, bis zum Augenblick ihrer Flucht.
Sind Sie je außerhalb des Hauses, welches Sie bewohnten, mit ihr zusammengetroffen?
Nein, die erwähnte Unterredung im Hotel ist die einzige, die nicht in Frau Olneys Hause stattfand.
Doch sahen Sie einander nicht häufig und nur im Beisein Dritter, wenn ich
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