Hinter verschlossenen Türen
Geländer versehen, auf welchem sich Säulen erhoben, die das platte Dach trugen. Das Geländer hatte einen neuen Anstrich von ganz eigentümlicher hellbrauner Farbe.
Wäre es möglich, daß ich hier endlich finde, was ich solange gesucht habe? fragte er sich. Er trat auf die Veranda und spähte scharf umher. Plötzlich ließ er einen Ausruf des Staunens und der Befriedigung hören. Von der zunächst der Stufe befindlichen Säule war an einer Stelle die Farbe abgerieben in der Form und Größe des Flecks auf Mildreds Kleiderrücken, und in der dünnen, noch übrigen Farbenschicht sah man deutlich blaue Wollenfasern, die da eingetrocknet waren. Gryce hatte schon manches Wunder erlebt, aber ein so überzeugender, vollgültiger Beweis war ihm noch nicht vorgekommen.
Mit sehr nachdenklichem Gesicht trat er in die Küche zurück.
Was für eine reizende Veranda haben Sie da draußen, begann er sein Gespräch mit Peter von neuem, wie schön muß sich's dort an Sommerabenden sitzen!
Das will ich meinen, lachte Peter gutmütig.
Und so hübsch angestrichen, viel sauberer, als das übrige Haus.
Ja, das habe ich auch selbst gemacht, schmunzelte Peter wohlgefällig, die Veranda sah recht schäbig aus, und da bat ich den Herrn um Erlaubnis und kaufte einen Topf voll Farbe, nur wollte sie nicht schnell trocknen. Na, wenigstens war es doch anständig zur Hochzeit, daß man sich nicht zu schämen brauchte.
Gryce schwirrten die verschiedensten Gedanken im Kopf herum; das Rätsel, das er lösen wollte, wurde immer dunkler, das Problem immer schwieriger.
Fünfzehntes Kapitel.
Die Entdeckung, die Gryce gemacht hatte, war allerdings von großer Tragweite und Wichtigkeit. Durch sie warfestgestellt, daß das Mädchen, welches Genofeva Gretorex' Kleider abgeliefert hatte und noch am Abend der Hochzeit bei ihr gesehen worden war, dasselbe sei, welches man am nämlichen Tage gegen Mitternacht tot in Frau Olneys Wohnzimmer trug.
Daß sie hier im Hause gestorben sei, folgte jedoch nicht unmittelbar daraus. Es war zwar verdächtig, daß die jetzige Frau Doktor Kameron jede Bekanntschaft mit ihr hartnäckig ableugnete, aber was sie auch dazu bewogen hatte, es brauchte nicht gerade mit dem tragischen Tode des Mädchens in Verbindung zu stehen. Damen in Frau Kamerons Stellung hegen meist eine unüberwindliche Scheu davor, mit der Polizei zu verhandeln oder als Zeuginnen vor Gericht zu erscheinen.
Wie aber erklärte sich Molesworths Wunsch, die Kamerons von seiner Lage in Kenntnis zu setzen? Derselbe entsprang, nach der Ansicht des Polizisten, schwerlich allein aus seinem Eifer für den interessanten medizinischen Fall. Und jener Schrei während der Trauung! Woher kam er, was hatte er zu bedeuten? – Damals war ihm nicht klar gewesen, wie wichtig es sei, Grund und Urheber desselben zu entdecken; jetzt mußte er alles daran setzen, um es nachträglich zu tun.
Gelassen wandte Gryce sich wieder an die beiden Diener:
Was ich noch sagen wollte: einer meiner Freunde erzählte mir, bei der Hochzeit hier wäre etwas ganz Merkwürdiges vorgekommen; mitten in der Trauung hätte man plötzlich einen lauten Schrei gehört. Ist das wahr?
Freilich, versetzte Jean, das war die Margret, die schreit immer, als wenn sie am Spieß steckte.
Peter lächelte mitleidig.
Ich hab's euch wohl schon tausendmal gesagt, daß Margret gar nicht im Hause war; wie kann sie da geschrien haben?
Was es gewesen ist, weiß niemand, mischte sich hier ein Mädchen ein, das gerade in die Küche trat; vielleicht war's ein Spuk, setzte sie mit scheuem Blick hinzu – ehe jemand im Hause stirbt, hört man ja oft –
Unsinn, fiel Peter ein, es war eine Frauensperson, die einen Angstschrei ausstieß. Was ihr den Schrecken eingejagt hat, gerade an jenem Abend, ist freilich unbegreiflich.
Währenddem prüfte Gryce innerlich jedes Für und Wider. War es möglich, daß Mildred Farley den Schrei im Augenblick ihres Todes ausgestoßen hatte? Wie aber konnte ein solches Ereignis, das sich im Zimmer der Braut zugetragen, unentdeckt bleiben? Und hatte sie das Gift hier im Hause genommen, wie kam dann kurze Zeit nachher Molesworth dazu, mit ihr im Wagen nach der Apotheke und nach seiner Wohnung zu fahren? – Nein, Mildred Farley war nicht hier gestorben, es müßte denn an jenem verhängnisvollen Abend Molesworth selbst hier im Hause zugegen gewesen sein. Nahm man dies an, dann freilich war manches Dunkel aufgeklärt.
Aber wie schwierig würde es sein, die Tatsache zu beweisen. Gryce
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