Hinter verschlossenen Türen
diese zur Hochzeit und jene in ihr Verhängnis ging.
Das waren augenscheinlich lauter unwillkommene Ueberraschungen für die Dame; sie vergaß alle Zurückhaltung, ja selbst des Detektivs Gegenwart.
Ein Mädchen namens Farley, wiederholte sie, die Genofeva kennt und die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht? Wie soll ich das verstehen?
Er schwieg und verwandte kein Auge von ihr. Sagten Sie nicht, sie sei tot? fragte Frau Gretorex plötzlich wie aus einem Traum erwachend. Ist es dasselbe Mädchen, das auf der Straße gefunden und von jemand im Wagen mitgenommen wurde?
Jawohl, Madame, eine junge Kleidernäherin, die am selben Abend Hochzeit machen sollte. Statt dessen hat sie Ihrer Tochter hier bei der Brauttoilette geholfen.
Frau Gretorex starrte ihn mit weitgeöffneten Augen an; aller Hochmut war von ihr gewichen. Sie scheinen über meine Tochter sehr gut unterrichtet zu sein, besser als ihre Mutter und ihre nächsten Freunde. Ich wußte überhaupt nicht, daß Genofeva jemand zur Hilfe gehabt hat, wußte nichts von dieser Doppelgängerin namens Farley. Der Umstand wäre doch wohl von der Dienerschaft bemerkt worden; aber mir hat niemand eine Mitteilung gemacht.
Man war eben ganz daran gewöhnt, sie kommen undgehen zu sehen; ihr Gesicht kannte niemand, denn sie war stets verschleiert.
Und Sie behaupten wirklich, das Mädchen, welches ins Haus kam, um die Kleider meiner Tochter abzuliefern, für die sie stets zu sprechen war, wenn sie sonst keinen Besuch empfing, sei eine Far – sei dieselbe, die an ihrem Hochzeitsabend eines so plötzlichen und geheimnisvollen Todes starb?
Es ist noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen, auch glaube ich, daß selbst Frau Doktor Kameron nicht von dieser Identität weiß. In meinen Augen steht jedoch die Tatsache unumstößlich fest. Dies ist der Grund meines Hierseins. Ich suche eben jetzt die näheren Umstände in betreff des Mädchens zu ermitteln.
Hatte Frau Gretorex plötzlich die Farbe gewechselt, oder bildete er es sich nur ein? Es gehörte wohl viel dazu, die Fassung dieser gewiegten Weltdame zu erschüttern. Was lag denn in seinen Worten, um sie aus ihrer Ruhe zu schrecken?
Jedenfalls hatte sie den Gleichmut schnell wiedergewonnen. Ich finde das ganz natürlich, sagte sie; derartige Nachforschungen gehören ja zu Ihrem Beruf. Nur glaube ich, Sie werden hier nicht viel erfahren.
Das scheint mir auch so, da Sie mir versichern, daß Sie nie mit ihr zusammengetroffen sind, sie nie gesehen haben.
Nein, nie .
Der Ton ihrer Stimme bezeugte, daß sie die Wahrheit sprach, Gryce veränderte seinen Schlachtplan.
So will ich mich denn verabschieden, sagte er; und doch – etwas möchte ich noch von Ihnen erbitten, um der Sache der Gerechtigkeit willen, der ich diene: Wenn Fräulein Farley an jenem Abend wirklich hier und im Zimmer Ihrer Tochter war, so muß sie einen braunen Schleierzurückgelassen haben, den man an ihr gesehen haben will. Als die Leiche in ihre Wohnung gebracht wurde, hing statt dessen ein hellgrauer ganz neuer Schleier an ihren Kleidern. Hat sich nun beim Aufräumen des Zimmers nach der Abreise Ihrer Tochter der braune Schleier vorgefunden, so wäre das abermals ein kleines Glied, das wir unserer Kette von Beweisen einfügen könnten.
Braune Schleier sind aber etwas so Gewöhnliches. Möglich, daß meine Tochter selbst deren ein Dutzend besitzt.
Die doch aber nicht lose im Zimmer umherliegen werden?
Wie soll ich das wissen?
Sie können mir also nicht behilflich sein?
Ich will Ihnen nicht verwehren, sich selbst in dem Zimmer umzuschauen. Alles steht und liegt noch darin, wie meine Tochter es verlassen hat. Ich wollte nur in ihrem Beisein über ihre Sachen verfügen, und sie hat bisher nicht Zeit gefunden, sich darum zu bekümmern. Wofür suchen Sie denn aber Beweise und gegen wen – wenn es erlaubt ist, zu fragen?
Ist Ihnen vielleicht ein Doktor Molesworth in hiesiger Stadt bekannt, Madame?
Nein.
Sie können auch mit Bestimmtheit versichern, daß er nicht zur Hochzeit eingeladen war?
Ganz bestimmt.
Demnach geschah es ohne Ihr Wissen, wenn er sich damals hier im Hause befand. Molesworth gibt nämlich an, er habe Fräulein Farley auf der Treppenstufe vor einem Hause in der 22. Straße aufgefunden. Die Geschichte ist ziemlich unwahrscheinlich, und wir wünschen zu beweisen, daß er sie von hier aus mitgenommen hat, wo sie sich bis gegen neun Uhr in Fräulein Gretorex' Zimmer aufgehalten hat.
Wenn es Ihnen nur darauf ankommt, diese Anwesenheit zu
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