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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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bis jetzt von keinem Beweggrund wissen, der sie getrieben haben könnte, dem Mädchen zu schaden, entgegnete Gryce. Wenn wir uns von dem wirklichen Mangel eines solchen überzeugen, so müssen wir ihre Geschichte glauben, wie widersinnig und unwahrscheinlich sie auch klingen mag. – Es handelt sich also darum, das ganze Geheimnis in seinem Zusammenhang zu enträtseln, damit wir erfahren, ob Mildred Farley guten Grund hatte, sich selbst das Leben zu nehmen, und wie sich Julius Molesworths Handlungsweise mit seinem sonstigen Charakter und gesunden Urteil vereinbaren läßt. Gelingt Ihnen das, so ist schon viel gewonnen.Ich will es versuchen, rief Kameron mit bleicher Lippe. Zu welchen Entdeckungen es mich auch führen mag, sie können mir keinen größeren Schmerz bereiten, als Ihr finsterer Argwohn.
    Wenn Sie nun aber bei Ihren Nachforschungen Leuten begegnen sollten, die den gleichen Zweck verfolgen?
    So muß ich ihnen den Vorrang einräumen. Um mit der Polizei zu wetteifern, fehlt mir die Uebung und erforderliche Gewandtheit. Mich treibt die Liebe ans Werk, Sie gehorchen der Pflicht Ihres Berufes.
    Nach diesen Worten entfernte sich Kameron eilig mit höflichem Gruß.

Einundzwanzigstes Kapitel.
    Des Doktors Entschluß war nicht leicht auszuführen. Um sich darin zu bestärken, brauchte er jedoch nur in das bleiche Antlitz seiner Gattin zu schauen, die starr und regungslos auf den weißen Kissen lag. Wenn er diesem stieren Blicke nicht mehr zu begegnen brauchte, wenn sie ihn wieder anlächelte wie früher – welche Seligkeit! Alles wollte er daran setzen, um ihr beim ersten Wiederaufdämmern des Bewußtseins zurufen zu können: »Freue dich, mein Herz, alle düstern Wolken sind verscheucht! Keine Menschenseele mißtraut dir mehr. Erwache zu Friede, Freude und Liebe!« – Die Wonne dieses Augenblicks mußte alle Schmerzen aufwiegen. Zwischen dieser Hoffnung und ihrer Erfüllung lag freilich noch eine weite Kluft.
    In Genofevas Boudoir sitzend, sann Kameron nach, ob er sich nicht irgendeines Umstandes erinnern könne, der ihm bei der Lösung des Problems helfen würde. Seine Gedanken wanderten zurück bis zu jener Stunde, da er durchdie Oeffnung des Vorhangs das verzweifelte Mädchen vor dem Kamin im Hotelzimmer hatte knien sehen. Was tat sie dort? – Sie verbrannte ein Blatt Papier, ein einziges Blatt. Aber auf dem Tisch lag ein Haufen engbeschriebener Blätter, ein ganzes Päckchen Papiere, von einem schmalen blauen Band zusammengehalten. Er hatte es damals nicht besonders beachtet, aber die ganze Szene war seinem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt. Wenn er die Augen schloß, vermochte er jedes Möbel des Zimmers deutlich vor sich zu sehen und auf dem Tisch das Tintenfaß, die Feder, die dicht an der Kante lag – und das Päckchen. Was sollte anderes darin sein als Briefe – Briefe, von denen sich Mildred Farley selbst in dieser Stunde nicht trennen mochte, welche Aufschluß über ihr Leben, ihre Liebe enthalten konnten und jetzt für ihn von ganz unberechenbarem Wert waren. Wo war dieses Päckchen hingekommen? Verbrannt hatte sie es nicht; nur ein verkohltes Papier war im Kamin gefunden worden; es mußte der Entwurf des Billets gewesen sein, das sie für Molesworth zurückgelassen. Was hatte sie mit dem Päckchen getan? In der Handtasche war es nicht gewesen; Gryce hatte nicht davon gesprochen, auch bei dem Verhör war es nicht erwähnt worden. Wo mochte es geblieben sein? – Kameron versuchte, sich an die Stelle des unglücklichen Mädchens zu setzen. Was konnte sie in ihrer Lage mit diesen Papieren angefangen haben, die er für die Liebesbriefe Molesworths hielt, mit dem sie jede Verbindung abbrechen wollte? Schwerlich hatte sie sie unter seiner Adresse im Hotel zurückgelassen aus die Gefahr hin, sie Neugierigen in die Hände fallen zu lassen. Sie mußte sie zu sich gesteckt und mitgenommen haben. Aber wohin? – Wohin anders, als in das Haus Gretorex? – Nach seiner Berechnung von Zeit und Entfernung hatte sie sich ohne Aufenthalt dahin begeben. Dort mußte sich das Päckchen nochbefinden, wofern es nicht Gryces scharfe Augen bereits entdeckt, oder Molesworth es während seines schrecklichen Zusammenseins mit der Leiche an sich genommen hatte. Dort im Hause, in Genofevas Zimmer – aber an welchem Platz? –
    Bei dieser Frage schaute Kameron unwillkürlich um sich, und sein Blick fiel auf ein altes, mit buntem Zitz bezogenes Sofa in einer Ecke des Gemachs, in welchem er saß. Es war das einzige

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