Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
Vom Netzwerk:
Verwandten des Hauses Gretorex kam der Name Farley nicht vor. Und doch mußte irgendeine Beziehung vorhanden sein, die es zu ermitteln galt. Abermit wessen Hilfe? – Bei Frau Gretorex Erkundigungen einzuziehen, war völlig nutzlos. An ihrer Weltklugheit wären seine Fragen sämtlich abgeprallt gleich matten Pfeilen. Um zum Ziele zu gelangen, mußte er nach anderen Quellen suchen.
    Der erste Mensch, der ihm einfiel, war Herr Gretorex. Er galt zwar in der Gesellschaft nur als Gatte seiner vornehmen Frau, aber in der Geschäftswelt stand er seit mehr als zwanzig Jahren in hohem Ansehen. Die Reichtümer, um derentwillen seine Familie zu den ersten der Stadt zählte, hatte er selber erworben und weise verwaltet, selbst unter den schwierigsten Verhältnissen. Bei ihm beschloß Gryce, einen Versuch zu machen.
    Er suchte ihn am Morgen nach seiner Unterredung mit Kameron auf seinem Bureau auf, gab sich als Mitglied der Geheimpolizei zu erkennen und brachte sein Anliegen vor.
    Ich bin schon einige Male in Ihrem Hause gewesen, Herr Gretorex, sagte er, mein Zweck war, Näheres über ein Fräulein Farley zu hören, das von Ihrer Tochter großmütig unterstützt worden ist.
    Die Züge des Millionärs drückten nur höfliches Staunen aus. Fräulein Farley? fragte er, der Name ist mir unbekannt.
    Es ist das Mädchen, welches vor einigen Wochen an Gift gestorben ist. Gewiß haben Sie Ihre Frau Gemahlin davon sprechen hören.
    Der vielbeschäftigte Mann schüttelte den Kopf und griff nach den Papieren auf dem Pult. Ich weiß nichts von der Sache, habe auch für dergleichen keine Zeit. Wenden Sie sich an meine Frau, wenn Sie glauben, von ihr etwas erfahren zu können; ich vermag Ihnen keinerlei Mitteilung zu machen.
    Es ist mir angenehm, das zu hören, entgegnete Gryceunbeirrt; ich fürchtete schon, Mildred Farley stünde in irgendwelchem Zusammenhang mit Ihrer Familie.
    Herr Gretorex sah ihn mit großen Augen an. Das muß wohl auf einem Irrtum beruhen, meinte er, wieder in seine Papiere blickend.
    Gryce war ein Menschenkenner; der Mann vor ihm besaß Ehrgeiz, Entschlossenheit und Tatkraft, aber nicht den Willen, ihn zu täuschen. So empfahl er sich denn mit höflicher Entschuldigung, überzeugt, daß Herr Gretorex ebensowenig wie er eine Ahnung davon habe, warum der Name Farley für seine Frau von besonderer Bedeutung sei.
    Ohne sich durch den Mißerfolg entmutigen zu lassen, beschloß der Detektiv, die Sache nun am andern Ende anzupacken. Waren auch Frau Farley und ihre Tochter tot, so hatten sie doch ihr Eigentum hinterlassen. Darunter befanden sich sicher alte Briefschaften, aus denen die Auskunft zu holen sein mußte, um die es ihm zu tun war.
    Bald saß Gryce in Frau Olneys Hause vor dem Koffer, welcher Mildred Farleys Besitztümer barg, aber nicht lange; die Briefe, die er enthielt, stammten sämtlich aus ihrer Schulzeit; er fand nichts darin, was für ihn von Wert fein konnte. Wenn das Geheimnis, nach dem er forschte, aus früherer Zeit stammte, so war es ja auch weit eher in dem Briefwechsel der Mutter als in dem der Tochter zu entdecken.
    Auf sein Befragen führte ihn Frau Olney nach der Bodenkammer, wo er in einer Kiste verschiedene Pakete alter Briefe fand, von denen einige vor zehn, andere vor zwanzig Jahren geschrieben waren. Er trug sie in das Zimmer hinunter, welches die gefällige Wirtin ihm zur Verfügung gestellt hatte, und begab sich mit aller Umsicht und Sorgfalt daran, einen Einblick in die Lebensgeschichte der verstorbenen Frau Farley zu gewinnen.

    Aus den verschiedenen Zuschriften, meist von weiblicherHand, richtete Gryce sein Hauptaugenmerk auf die mit »Anna« unterzeichneten. Sie schlugen den vertraulichsten Ton an und verrieten die genaueste Bekanntschaft mit Frau Farleys Schicksal und Erlebnissen.
    Es war kein heiteres Bild, das sich darin entrollte: eine Entführung und heimliche Trauung, ein halbes Jahr voll Seligkeit, dann Krankheit und Armut, und Vernachlässigung von seiten dessen, der das Elend über sie gebracht. Einige Monate später noch schwerere Krankheit und drückendereArmut, dann ein furchtbarer Schlag, auf den sich folgende Zeilen bezogen: »Du armes Herz, bleibe nur standhaft, bis ich komme; Du sollst den entsetzlichen Kummer nicht allein tragen.«
    Nun folgte eine Pause im Briefwechsel, und als er einige Monate später wieder aufgenommen wurde, ließ die teilnehmende Erwähnung des Witwenleids der Adressatin erraten, welchen Verlust diese erlitten haben mußte. Aber der Detektiv stieß

Weitere Kostenlose Bücher