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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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bedrängte. Meine Zweifel sind erst mit doppelter Gewalt erwacht, als ich von dem Briefe hörte, den Sie geschrieben, und glauben mußte, daß der Anblick ihrer Schönheit in Ihnen die Liebe zu ihr aufs neue angefacht habe. Nun sagen Sie mir aber, der Brief sei an mich gerichtet gewesen, nicht an sie! Ich segne Sie für dies Wort, Molesworth, ich segne Sie viel tausendmal; denn, wenn sie rein ist von der Sünde, deren ich sie zieh, kann sie nicht auch ebenso unschuldig an dem Verbrechen sein, dessen die Polizei sie anklagt?
    Eine wahre Bergeslast schien sich ihm vom Herzen zu wälzen; sein Blick war so voller Inbrunst, daß Molesworth unwillkürlich seufzen mußte.
    Sie hängen an ihr mit ganzer Seele, murmelte er, nicht Ihr Stolz allein hat also unter dem Zweifel gelitten.
    Stumm wandte sich Kameron einen Moment ab, dann bezwang er sich nicht länger. Ja, ich liebe sie, rief er; sie ist mir teurer als mein Leben, wie seltsam auch dieses Bekenntnis Ihnen gegenüber klingen mag! Bleibt auch nur der Schatten eines Verbrechens an ihr haften, so bin auch ich ein gebrochener Mann. Mein Glück ist auf immer dahin, und zwar nicht, weil meine Laufbahn zerstört ist und Neugier und Spott mit Fingern auf mich weisen dürfen, sondern weil mein Ideal in den Staub getreten ist, weil das Weib, welches ich voll Entzücken an meinem Herzen hielt, in der ganzen Ruchlosigkeit ihres wahren Charakters vor mir dasteht.
    Ich verstehe Sie, obgleich ich nie geliebt habe – Molesworth hielt inne und besann sich. Verzeihung, bat er nicht ohne männlichen Stolz, das Gefühl, das ich einst für Genofeva Gretorex zu hegen wähnte, liegt so weit hinter mir, daß ich kaum noch die Erinnerung daran bewahre. Gott, der uns beide dem drohenden Untergang im Schneesturmentrissen hat, ist mein Zeuge, daß ich nur Ihr Bestes will, Kameron!
    Ich glaube Ihnen; Sie haben den Haß bezwungen, den ich noch vor einer Stunde gegen Sie im Herzen hegte; ich lege mein Leben, meine Ehre vertrauensvoll in Ihre Hand. Sie werden mit mir zurückkehren, Julius, werden sich der Polizei zur Verfügung stellen und mir helfen, Genofevas Unschuld zu beweisen. Sie sind ja überzeugt, daß das Weib, dem Sie in seiner schrecklichen Bedrängnis so wunderbare und beispiellose Hilfe leisteten, nicht eine verabscheuungswürdige Mörderin war, sondern nur eine unschuldige Unglückliche, deren einziges Vergehen darin bestand, daß sie entschlossen war, zu ihrem früheren Selbst zurückzukehren, sogar auf Kosten der ehrgeizigen Hoffnungen ihrer Schwester.
    Ich wünsche nichts sehnlicher, als Ihnen zu helfen, erwiderte Molesworth, aber so, wie Sie meinen, geht es nicht. Hätte ich Ihnen nützen oder Ihre Frau retten können, wenn ich in Neuyork blieb, wahrlich, ich hätte meine Kranken nicht verlassen, nicht in einem Augenblick, wo sich mir hoffnungsvolle Aussichten erschlossen, meinen Beruf aufgegeben, um mich in einer elenden, abgelegenen Bauernhütte verborgen zu halten.
    Aber – Sie fürchteten für Ihre eigene Sicherheit, Sie haben einen Meineid geschworen und – und –
    Ich fürchte nichts für mich. Seit ich Sie kenne, hege ich nur den einen Wunsch, Sie vor jedem Kummer, jeder Demütigung zu bewahren. Lesen Sie den Brief, den ich an Sie geschrieben habe. Hätte ich ihn abgeschickt, so wären Sie vielleicht nicht hier. Aber ich wollte warten, bis die Gefahr dringender war, und ich zu der unumstößlichen Gewißheit gelangte, daß meinerseits ein langes, vielleicht fortgesetztes Opfer erforderlich sein würde. Lesen Sie den Brief! –
    Kameron gehorchte mechanisch; er bezwang den Sturmin seinem Innern, heftete die Blicke auf das Papier in seiner Hand und las beim Schein der Herdflamme folgende Worte:
    »Lieber Doktor Kameron!
    Wenn Ihnen diese Anrede vielleicht anmaßend erscheint, so verzeihen Sie einem Unglücklichen, der voll Hochachtung zu Ihnen aufblickt. Was Sie für mich getan haben, das wissen Sie, nicht aber, welches unaussprechliche Gefühl der Dankbarkeit und Zuneigung Ihre hochherzige und selbstlose Handlungsweise in meiner Brust erweckt hat. Ich hätte es früher nicht für möglich gehalten, daß meine Hingebung an jemanden bis zur Hintansetzung meines Berufes und meines Ehrgeizes gehen könnte. Sie haben das bewirkt, und mein vornehmstes Bestreben soll hinfort sein, Ihren Liebesdienst zu vergelten. Ich will mir das zu einer wahren Lebensaufgabe machen, und wenn Ihnen dieses Geständnis dünkelhaft und unmännlich erscheint, so bitte ich Sie mit Ihrem Urteil

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