Hintergangen
Geisteszustands – nicht zu vergessen das Rohypnol. Wie hatten sie bloß so unvorsichtig sein können? Sie wusste doch, dass ihre Depression zur Sprache kommen würde, und war darauf vorbereitet. Doch Becky hatte offensichtlich viel zu viel mitgekriegt. Nachdem er die testamentarischen Verfügungen gehört hatte, wusste Tom bereits, dass Hugo alles andere als perfekt war. Der wahre Hugo durfte aber nie ans Licht kommen. Niemals.
Vom Fuß der Treppe kam ein Schrei.
»Laura, bist du da oben?«
»Ja, ich tue so, als würde ich für die Polizei was suchen.«
Imogens Gesicht tauchte an der Treppe auf. Laura wusste, dass sie seit der Mittagszeit an den Briefen gesessen hatte, war aber froh um Unterstützung.
»Wie war das Treffen mit den Anwälten? Bist du jetzt eine reiche Frau?«
Laura lachte verächtlich.
»Unsinn. Wir reden hier schließlich von Hugo. Ich erklär dir das alles später, aber jetzt habe ich ganz andere Sorgen.«
»Wieso, was ist passiert? Wonach suchst du denn eigentlich da oben?«
»Perücken. Aber ich suche nicht, ich tu nur so.«
» Was? O Mann, ich hätte dich nicht alleinlassen dürfen. Was ist denn passiert? Was hast du gesagt?«
Manchmal, überlegte Laura, behandelte Imogen sie so, als hätte sie lauter Stroh im Kopf. Rasch erklärte sie alles, was Tom ihr über die Perücken gesagt hatte. Dann deutete sie auf eine große Schachtel auf dem Boden.
»Da ist die Perückenschachtel.«
Sie starrte sie an, ohne sie berühren zu wollen. Sie war wie die Büchse der Pandora – sobald sie sie öffnete, würde all das Übel, würden alle damit verbundenen Erinnerungen herausströmen, um sie zu verschlingen. Doch ihr blieb keine Wahl. Schaudernd bückte sie sich, entfernte den Deckel und nahm den Inhalt heraus. Sie wühlte herum, um die Perücken voneinander zu trennen. Etwas stimmte nicht, die Haare waren alle miteinander verfilzt. Vielleicht irrte sie sich, musste sich einfach irren. Sie zog sie erneut auseinander, ohne panisch zu werden, bis sie sich sicher war. Sie sah Imogen an.
»Mist, Imo. Es sind bloß drei.«
Laura setzte sich auf eine alte Truhe. Ihr Kopf war völlig leer. Sie konnte es sich nicht erklären, hatte auch keine Antwort für die Polizei. Imogen rückte neben sie hin und legte Laura den Arm um die Schulter.
»Was machst du dir Sorgen? Sieh es doch mal ganz rational. Lass dich nicht von so was Trivialem aus der Fassung bringen. Absolut jeder hätte hier eine Perücke herausnehmen können, jederzeit. Vielleicht hat Mrs Bennett eine auf dem Flohmarkt verkauft, wer weiß. Und überhaupt, wenn sich die alte Hexe immer wieder welche hat machen lassen, dann kann man doch davon ausgehen, dass mal eine kaputtgegangen ist und weggeschmissen wurde. Zwei fehlende Perücken, das heißt doch gar nichts.«
»Nein, vielleicht nicht. Aber was soll die Polizei denken?«
Sie hatte wirklich keine Ahnung, warum es bloß drei waren, und allein diese Tatsache brachte sie ganz durcheinander.
Schweigend saßen sie auf der Truhe, während Laura sich wieder zu sammeln versuchte. Nach einer Weile stand sie entschlossen auf.
»Okay, ich werde Folgendes sagen – hoffentlich glaubt er mir: Als Alexa noch klein war, haben wir oft Verkleiden gespielt und uns auch eine Perücke aufgesetzt. Sie ist natürlich zu jung, um sich noch zu erinnern. Ich behaupte einfach, ich hätte keine Ahnung, was damit passiert ist. Außerdem meine ich mich erinnern zu können, dass Hugo erzählt hat, seine Mutter wäre mit einer ihrer Perücken beerdigt worden. Das sind dann die beiden fehlenden, die anderen drei sind alle hier. Klingt einleuchtend, oder was meinst du?«
Sie sah Imogen hoffnungsvoll an.
»Perfekt. Das nimmt dem famosen Chief Inspector hoffentlich den Wind aus den Segeln, obwohl ich nicht so recht verstehe, wieso du dich rechtfertigen musst.« Imogen sprang auf.
Laura wusste allerdings nur zu gut, dass das Problem nicht dadurch verschwand, dass sie der Polizei eine Geschichte auftischte. Es müssten eigentlich mehr als drei Perücken sein, und das Ganze war überhaupt nicht nachvollziehbar.
Sie sollte ihrer Freundin die schlechten Nachrichten aber auch noch vollends erzählen, fand sie.
»Warte, Imo, bevor du wieder runterrennst. Es gibt da noch ein Problem. Tom will, dass ich ihm das mit meiner Krankheit erkläre – was los war und wieso ich so lange weggesperrt war. Was meinst du, was soll ich ihm erzählen?«
Imogen sah Laura achselzuckend an.
»Gib ihm die Beweise, die sie hatten.
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