Hintergangen
Verdacht beschlichen, dass irgendwas mit den Mädchen passiert war, und ich konnte mir durchaus vorstellen, dass Hugo etwas damit zu tun hatte. Eine waschechte Verschwörungstheorie habe ich mir ausgedacht. Ich habe mir vorgestellt, wie er die Mädchen weglockt für Sex oder einfach, um sie weiterzuverkaufen. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe.«
Mittlerweile, dachte sich Laura, war aus ihr eine Meisterin der Untertreibung geworden.
»Jedenfalls bin ich Mr Hodder einmal bei einem Charity-Abendessen begegnet und habe ihm von meiner Theorie erzählt. Meine Phantasie ist mit mir durchgegangen, und ich habe mich fürchterlich blamiert. Er war einer der wenigen, die von meiner früheren Krankheit wussten, und hat in meinem Verhalten eine Art Rückfall gesehen. Also hat er Hugo verständigt. Irgendwie konnte ich die besagte Vorstellung aber nicht vergessen. Man hat mich als wahnhaft gestört diagnostiziert, und der Constable hat die Beweise geliefert. Das ist eigentlich alles.«
Wie gewöhnlich vermied Laura es, Tom in die Augen zu schauen, riskierte jedoch einen kurzen Blick. Sie sah Besorgnis, aber auch etwas anderes: Ein aufgeregtes Blitzen verriet ihr, dass das gerade nicht überzeugend genug geklungen hatte.
»Schauen Sie, Tom, ich weiß, es klingt absolut lächerlich. Ich stand da wie ein Vollidiot. Offenbar hatten Mr Hodder und seine Familie früher selbst einmal ein Allium-Mädchen aufgenommen, das hat aber wohl nicht so recht geklappt. Von Hugo hat er allerdings immer in den höchsten Tönen gesprochen. Die ganze Sache ist mir wirklich peinlich, vergessen wir es also bitte?«
»Haben Sie gewusst, dass Hugo Jessica gebeten hatte, sämtliche Unterlagen über die vermissten Mädchen zu vernichten?«
Laura war bestürzt. Das hatte sie nicht gewusst – doch es leuchtete ihr völlig ein. Hugo war ein Dreckskerl, aber ein cleverer Dreckskerl. Tom war ihr Gesichtsausdruck offenbar nicht entgangen.
»Sie haben es nicht gewusst, hab ich recht? Er hat Jessica außerdem achttausend Pfund im Monat gegeben, als ›kleinen Bonus‹ für eine Tätigkeit, die sie uns nicht verraten will. Er hat sie in bar ausgezahlt, was seine monatlichen Bargeldbezüge von zwanzigtausend erklärt. Und dann haben Sie einen Privatdetektiv angeheuert, der Hugo beschatten sollte, richtig? Hugo hat es herausbekommen und Sie zweifellos eingeschüchtert. Daraufhin sind Sie zum Chief Constable gegangen. Wie hört sich das für Sie an?«
Zu gut, dachte Laura. Viel zu gut. Doch sie sagte nichts, sondern musterte ihn nur ruhig und hoffte, ihre Überraschung darüber verbergen zu können, dass der Großteil der Zwanzigtausend, von denen sie nichts gewusst hatte, damit ja geklärt war.
»Und jetzt die gute Nachricht. Einer meiner Kollegen hat mich gerade aus dem Büro von Allium angerufen: Die entzückende, aber offensichtlich ziemlich faule Rosie hat soeben zugegeben, dass ihr der Stapel von Unterlagen über die Mädchen zum Schreddern zu viel war. Sie hat die Kisten also versteckt. Unsere Leute schauen sie gerade durch – angefangen mit den letzten fünf Jahren.«
Tom sah hochzufrieden aus. Damit wären nun alle Fragen beantwortet. Fast tat er ihr leid, doch er war noch nicht fertig.
»Laura, sagen Sie mir die Wahrheit. Glauben Sie immer noch, dass es eine Wahnvorstellung war? Wohl eher nicht, oder? Sie haben es nie geglaubt. Was ich aber nicht verstehen kann: Wenn Sie gedacht haben, den Mädchen ist etwas angetan worden, wieso haben Sie mir dann nichts gesagt, als Sie von Danikas Verschwinden gehört haben?«
Sie wusste nicht, wie viele Lügen sie diesem Mann noch auftischen konnte. Doch vielleicht würde er verstehen, er hatte ja selbst eine Tochter.
»Ich habe nicht eingesehen, wieso ich es Ihnen hätte sagen sollen. Ich habe gedacht, es würde mehr schaden als nützen. Hugo ist tot , für die Mädchen, die schon verschwunden sind, ist es zu spät, und jetzt kann er ihnen ja nichts mehr tun, oder? Ich wollte Alexa schützen und habe gedacht, es wäre besser, wenn Sie diesbezüglich nicht ermitteln. Um ihretwillen habe ich geschwiegen. Sie ist meine oberste Priorität. Und inzwischen sind die Mädchen ja in Sicherheit … sind sie doch bestimmt .«
Plötzlich übermannten sie ihre Schuldgefühle. Sie hatte viel gewusst und doch nicht genug. Vor all den Monaten war sie sich sicher gewesen, dass die Polizei handeln würde, war dann aber wieder in einer Nervenklinik gelandet. Sie hätte ihnen von ihrem Verdacht erzählen
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