Hintergangen

Ungetüm, ehrlich gesagt. Bauzeit wahrscheinlich Mitte oder spätes neunzehntes Jahrhundert, ein Brunnenschacht ist also durchaus möglich. Es war früher mal eine Schaffarm. Ich glaube, dieser Teil von Dorset ist berühmt für seine Schafe. Ursprünglich war das Gelände ziemlich weitläufig, ist inzwischen aber verkauft, bis auf die etwa zehn Morgen rings um das Haus. Wirtschaftsgebäude gibt es keine mehr, bloß eine alte Scheune, die anscheinend mal als Garage benutzt wurde, und ein recht verfallenes Sommerhäuschen. Wir holen die Grundbucheintragungen her, mal sehen, was wir finden.«
    Will saß wie auf Kohlen.
    »Haben Sie vielleicht eine Landkarte von der Gegend und können die Farm genau lokalisieren?«
    Der aufgeregte Ton in Wills Stimme entging Tom nicht.
    »Nein, aber wir können ja im Internet nachschauen. Ich habe meinen Laptop dabei. Warum? Woran denken Sie?«
    »Bis Sie es grade noch einmal erwähnt haben, hatte ich ganz vergessen, dass die Farm ja in Dorset liegt. Wissen Sie vielleicht, ob da ein Teich ist?«
    Tom überlegte. Mit dem Team, das nach den Leichen suchen sollte, hatte er eine kurze Tour über das Gelände gemacht.
    »Nicht auf Hugos Grundstück, soweit ich mich erinnern kann. Nahe beim Haus hat er einen Sicherheitszaun gebaut – etwa hundert Meter entfernt. Im Zaun sind abgesperrte Tore zum Rest seines Geländes. Das geht dahinter in verschiedenen Richtungen weiter. Außerhalb des Zauns liegt dann die offene Landschaft, da ist bloß noch eine Trockenmauer zwischen Hugos Gelände und den angrenzenden Feldern. Allerdings meine ich, wir hätten in der Nähe der Einzäunung einen Teich gesehen, gleich auf dem benachbarten Feld, der ist aber nicht besonders groß. Ein See ist es nicht, also wahrscheinlich nicht tief genug für … Hugos Zwecke. Den wollen wir uns auch ansehen, aber erst, wenn alles andere erledigt ist. Warum?«
    »Schon mal von Ball Clay gehört, das ist so eine Art Tonerde?« Will nickte mehrmals, als würde ihm allmählich etwas klar.
    Tom sagte es aber nichts, und er schüttelte den Kopf. Will erklärte es ihm.
    »Den verwendet man zur Herstellung von Keramik. Dorset ist berühmt dafür. Als ich auf der Uni war, habe ich im Sommer mal dort gearbeitet. Es gibt mehrere Arten von Ball-Clay-Minen, manche sind offen, manche haben Schächte wie bei einer Kohlemine. Ich will Sie jetzt aber nicht mit den Einzelheiten langweilen. Das Interessante daran ist, viele von den alten Minen wurden stillgelegt und haben sich im Lauf der Zeit mit Wasser angefüllt. Einige hat man in Naturreservate verwandelt, die kleineren blieben aber einfach geflutet. Von der Oberfläche her sieht es vielleicht nicht nach viel aus, könnte aber sehr tief sein.«
    Die nächsten paar Stunden waren angespannt und nervenaufreibend. Laura wusste nicht recht, was die Polizei finden sollte, und spielte das Geschehen in Gedanken immer wieder durch. Hätte sie mehr tun können als das, was sie getan hatte? Wie viele Leben hätten gerettet werden können, wenn sie vor all den Monaten nur ein bisschen hartnäckiger versucht hätte, jemanden davon zu überzeugen, dass sie in Bezug auf Hugo recht gehabt hatte? Doch sie hatte nie geglaubt, dass er die Mädchen umbrachte. Und sie hatte damals andere Prioritäten gehabt.
    Tom hatte sich mit Computer und Telefon lange im Esszimmer verkrochen. Will hatte ihm bei der Suche geholfen. Angesichts des gemeinsamen Projekts waren alle Spuren von Antipathie zwischen den beiden Männern verschwunden.
    Schließlich kehrten sie ins Wohnzimmer zurück und nahmen nebeneinander Platz.
    Beatrice, Imogen und Stella hatten sich unterstützend zu Laura gesellt, und sie war dankbar. Als sie die beiden Männer anschaute, wusste sie aber sofort, dass es etwas Neues gab.
    »Wie es aussieht, hatte Will recht«, sagte Tom. »Von der Farm aus kann man durch eines der Tore im Zaun – das heißt, wenn man einen Schlüssel hat. Da ist ein Feld, das zur Farm gehört, eingegrenzt lediglich durch eine Trockenmauer. Das Gelände ist ziemlich verwahrlost, die Mauer weitgehend zerfallen, seit es kein Vieh mehr auf der Farm gibt. Der Teich liegt gleich auf der anderen Seite von einer Lücke in der Mauer. Die Kollegen vor Ort meinen aber, es sieht so aus, als wäre dieses Teilstück absichtlich entfernt worden. Offenbar sieht es anders aus, wenn es einfach bloß zusammenfällt.«
    Will nahm den Faden auf.
    »Tom hat die Bestätigung bekommen, dass der Teich tatsächlich ein kleiner, aber doch ganz schön