Hintergangen
hier Gast!«, protestierte Imogen.
»Imogen, sosehr ich dich liebe, aber du hast hier nicht das Kommando. Irgendwas ist faul an der Sache, und ich will genau wissen, was es ist. Beatrice, würde es dir was ausmachen? Mum, ich glaube, es ist für alle Beteiligten besser, wenn du das jetzt nicht hörst.«
Laura kam sich vor wie ein Zaungast. So wie es aussah, hatte jeder etwas zu sagen. Will brauchte aber nur ihre eigene Geschichte zu hören. Imogen hatte damit nichts zu tun. Sie würde es ihm erzählen müssen, es war an der Zeit.
Allerdings folgte ihre Mutter dem Skript überhaupt nicht und musste erst noch überredet werden.
Mit distanziertem Blick beobachtete Laura, wie sich die Szene entspann.
»William, ich mag ja deine Mutter sein, aber aus Glas bin ich nicht. Ich werde schon nicht zerspringen, wenn ich etwas höre, was mir nicht gefällt. Nichts kann mich derart schockieren wie die Neuigkeiten, die ich heute bereits gehört habe. Also bleibe ich.«
Beatrice stand auf.
»Kommen Sie, Stella, wir lassen sie allein. Sie werden es ohnehin nicht erzählen und ich für meinen Teil habe schon genug gehört. Hugo war genau der irre Scheißkerl, für den ich ihn immer gehalten habe.«
Laura wusste, dass sie jetzt etwas sagen musste.
»Ehrlich gesagt hätte ich gern, dass Imogen auch hinausgeht. Tut mir leid, Imo, hier entscheidest jetzt nicht du, sondern ich. Bitte geh mit Mum und Beatrice.«
Stella und Beatrice gingen hinaus, doch als Imogen sich an der Tür umdrehte, sah Laura die Panik in ihrem Blick.
»Imo, er muss es erfahren. Es tut mir leid.«
»Ich weiß, ich weiß. Scheiße! Will, ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber du sollst wissen, dass ich dich liebe. Es hat nie jemand anderen gegeben. Bitte hasse mich nicht noch mehr, als du es sowieso schon tust.«
Mit einem Seufzer verließ sie das Zimmer. Weder Will noch Laura bemerkten, dass die Tür nicht richtig zugegangen war.
»Ich will Antworten, Laura.« Wills Gesicht schien wie aus Granit gemeißelt. Jede Falte war tief gezeichnet, und seit er vor ein paar sehr langen Stunden durch die Haustür getreten war, schien er um Jahre gealtert. Er sprach mit kaum gebändigter Wut.
»Inzwischen wissen wir alle, dass Hugo ein durch und durch unmoralisches, korruptes Individuum war. Aber das war dir offensichtlich schon lange klar. Hat Imogen ihn deswegen für dich umgebracht? Sie muss es gewesen sein. Die Polizei weiß es, kann es aber nicht beweisen. Gott steh uns allen bei! Ich weiß, sie ist deine Freundin, und sie liebt dich, aber meinst du nicht, dass das ein bisschen viel verlangt war? Menschenskind, Laura!«
Laura empfand nur Kälte und eine merkwürdige Fühllosigkeit. So viel war geschehen – so viel, was so viele Menschen verletzt hatte. Und nun erschien ihr das hier fast wie der leichtere Teil. Wie viele Gespräche hatten in den vergangenen paar Tagen hier in diesem Zimmer stattgefunden? Wie viele Leben waren auseinandergerissen worden? Und nun verdiente Will, die Wahrheit zu erfahren.
»Will, halt die Klappe. Es war nicht Imogen. Sie hat ihn nicht umgebracht.«
»Wenn es Imogen nicht war, wer dann? Ich bin mir sicher, du weißt es.«
Laura holte tief Luft und sah Will direkt in die Augen.
»Du hast recht, ich weiß es.«
»Also?«
»Ich war es, Will. Ich habe Hugo getötet.«
Es war still im Raum. Laura konnte nicht einmal Atemgeräusche hören, bis sie merkte, dass zumindest sie selbst den Atem anhielt. Sie hatte die Worte ausgesprochen, der Bann war gebrochen, die Distanziertheit verschwunden. Zuzugeben, was sie getan hatte, war das eine, doch um es zu erklären, würde sie jeden Augenblick noch einmal durchleben müssen, und das würde viel schwieriger. Will starrte sie völlig fassungslos an. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen.
»Es ist eine lange Geschichte. Vermutlich wird es eine Erleichterung sein, sie endlich jemandem zu erzählen. Also hör zu und unterbrich mich nicht, Will.« Sie hielt ihren Körper ganz angespannt, hatte das Gefühl, als würde sie beim ersten Anzeichen von Schwäche zusammenbrechen.
Kaum wahrnehmbar nickend, starrte Will seine Schwester nur weiter fassungslos an. Ihr Whiskyglas fest umklammernd, stand Laura vom Sofa auf und ging zum Kamin hinüber. Mit fester Stimme, ihre Gefühle im Zaum haltend, begann sie zu sprechen.
»Es ist alles sorgfältig geplant gewesen, jedes einzelne Detail. Der Countdown hatte am Donnerstagnachmittag begonnen, vor Hugos Tod. Ich bin natürlich im Haus in Italien
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