Hintergangen
für möglich gehalten, dass Sir Hugo eine Geliebte hatte, Jessica? Oder fällt Ihnen irgendjemand ein, mit dem er vielleicht eine Beziehung gehabt haben könnte?«
»Sir Hugo war ein sehr männlicher Typ. Meiner Meinung nach hat er zweimal die falsche Wahl getroffen, hinsichtlich seiner Lebensgefährtinnen. Ich glaube, er hätte eine Person gebraucht, die ihn verstand, die in seiner Welt lebte, ihm all die Annehmlichkeiten bot, die er verdiente. Und ich glaube nicht, dass er das bekommen hat, von keiner seiner beiden Frauen. Über die Jahre kam seine seltsame Stimmung immer wieder – diese Mischung aus Euphorie und Aufgewühltheit. Besonders bemerkbar war es in den letzten paar Wochen, doch ich habe keine Ahnung, ob er eine Affäre hatte oder nicht, obwohl ich es ihm in dem Fall bestimmt nicht verdenken könnte.«
War das nun Heldenverehrung oder Obsession?, überlegte Becky. Offenbar fand Jessica, dass Hugo sie hätte wählen sollen, falls sie also von einer Affäre wusste, würde sie es denn dann nicht verraten? Würde sie nicht die Gelegenheit ergreifen, jemand anderem – unpassendem – in den Rücken zu fallen? Außer natürlich, sie war diejenige, mit der er die Affäre gehabt hatte. Einleuchtend.
Nachdem sie Jessica für das Gespräch gedankt hatte, nahm Becky sich ein paar Minuten Zeit, um ihr nächstes Gespräch vorzubereiten. Rosie schien recht nett zu sein. Ein wenig schusselig vielleicht, aber normal. Sie kam offensichtlich aus anständigen Verhältnissen.
Als sie zur Tür hereinkam, waren Rosies Augen immer noch rot, wurden von ihrem dichten blonden Pony aber fast überschattet. Becky war nicht ganz klar, wie sie überhaupt was sehen konnte. Rosie trug eher ein Sonntagsoutfit als reguläre Bürokleidung: eine teuer aussehende – und sehr enge – Jeans, hohe Lederstiefel und einen leuchtend grünen Pullover.
»Okay, Rosie. Ich will mich bloß ein bisschen mit Ihnen unterhalten – um zu verstehen, was Sie hier tun, wie involviert Sie in Sir Hugos Leben waren, et cetera. Können Sie mir zuerst mal einen kurzen Überblick über Ihre Tätigkeit geben?«
»Sie denken bestimmt, es hört sich nach nichts Besonderem an, aber mein Job erfordert ein hohes Maß an Organisation. Ich buche alle seine Reisen, organisiere ihm seine Leibwächter, wenn er sie braucht, sehe nach, was er für Verpflichtungen für seine Stiftung hat, und aktualisiere seinen Terminplaner. Ich kümmere mich auch um die Büroorganisation – bestelle Büromaterial, nehme Telefongespräche an, solche Sachen. Damit habe ich sehr viel zu tun, obwohl Jessica meint, auf mich könnte man verzichten.«
»Verstehen Sie sich denn nicht gut mit Jessica?«
»Die ist schon okay. Bisschen protzig, find ich.«
»Und haben Sie denn gern für Sir Hugo gearbeitet?«
»Das war vollkommen in Ordnung, wirklich. Bisschen von oben herab war er, aber dafür konnte ich erzählen, dass ich für einen ›Sir‹ arbeite – und er war erstaunlich nett, wenn ich bei Harvey Nicholson über die Stränge geschlagen habe und nach der Mittagspause nicht pünktlich zurück war. Vorausgesetzt, ich habe die Zeit wieder hereingeholt. Er war jedenfalls besser als Jessica. Die wird sauer, wenn keine Büroklammern mehr da sind oder so. Man könnte meinen, die Welt geht unter!«
»Erzählen Sie mir von seinem Terminkalender, Rosie. Schrieb er da persönliche Sachen rein oder bloß seine geschäftlichen Termine?«
»Ich muss sagen, mit seinem Terminplaner war er richtig pingelig. Einen Personal Organizer wollte er nicht. Ich wollte ihm einen BlackBerry besorgen, aber das hat er abgelehnt. Er mag – oder mochte, sollte ich wohl besser sagen – Sachen zum Anfassen. Also hatte ich seinen Terminplan auf meinem Computer und musste – Wort für Wort – alles auf seinen Schreibtischplaner übertragen, und der war enorm. So ein riesiges Lederteil. Auf jeder Seite waren immer bloß ein paar Zeilen eingetragen, seine täglichen Termine. Die hat er aber jahrelang aufbewahrt.
Na, jedenfalls besteht mein Job darin, die beiden, den elektronischen und den Papierkalender, miteinander abzustimmen, und dann muss ich jeden Tag noch eine weitere Fassung erstellen – einen getippten Ablaufplan seiner Aktivitäten des Tages, mit allen Telefonnummern, Adressen, Uhrzeiten und was für eine Art von Termin es ist. Die moderne Technik benutzte er bloß, wenn ihm gar nichts anderes übrig blieb. Computer? ›Hebe dich weg von mir, Satan‹, sagte er dann – aber ohne zu
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