Hintergangen
lächeln! Ein Handy hatte er allerdings, ohne das ist er nirgends hingegangen.«
»Sein Handy? Wo hat er das denn aufbewahrt, Rosie? Wir haben jedenfalls keines gefunden.«
»Er hatte eine lederne Brieftasche. Da hatte er seinen Ablaufplan, Besprechungsnotizen und Handy drin. In die Tasche wollte er sein Handy nämlich nicht stecken, denn das hätte den Schnitt seines Anzugs verdorben, und das ging ja wohl gar nicht, oder?«
Becky wusste, dass Hugos Brieftasche sehr wohl gefunden worden war, mitsamt dem Ablaufplan seines Todestages. Die einzelnen Termine wurden gerade nachgeprüft, schienen aber nicht verdächtig. Ein Telefon war definitiv nicht dabei gewesen.
»Wissen Sie irgendetwas über Sir Hugo, das darauf hindeuten könnte, dass er ein Verhältnis hatte, Rosie?«
»Hm, also eine Sache scheint mir schon ein bisschen komisch, aber, ich weiß nicht, kann sein, dass ich da zu viel hineininterpretiere.«
»Erzählen Sie.«
»Ab und zu ist da so ein komischer Eintrag in seinem Schreibtischplaner. Da steht dann › LMF ‹. Manchmal bloß für einen Tag, manchmal für ein paar Tage, manchmal bloß über Nacht. Er hat mir nicht gesagt, was das für Termine waren, hat sie aber nie geändert. Als ich ihn gefragt habe, was LMF bedeutet, hat er bloß gelächelt und gesagt, es heiße ›Lass mich frei‹. Aber das glaub ich nicht, weil er so nie gesprochen hätte. Er hätte doch eher gesagt: ›Ich bin zur Zeit nicht verfügbar‹, oder so ähnlich.«
»Könnte das F auch für Fletcher stehen? Vielleicht hat er ja einen Verwandten mit diesen Anfangsbuchstaben besucht?«
»Kann sein – von dem habe ich aber noch nie was gehört. Das will aber nichts heißen. Mir wollte er es einfach nicht sagen. Erst dachte ich, das L steht vielleicht für Laura – aber ich buche ja ihre Flüge, und sie hat keinen zweiten Vornamen.«
»Und sein Verhältnis zu Jessica, war das gut?«
»Die betete den Boden zu seinen Füßen an. Aber Pech für sie, dass er sie eben wie seine Assistentin behandelt hat. Ich würde nie auf die Idee kommen, dass er was an ihr empfunden hat.«
Becky überlegte einen Augenblick. Vielleicht war Hugo einfach der bessere Schauspieler gewesen, und er und Jessica hatten tatsächlich eine Affäre gehabt. Jedenfalls hörte sich dieses LMF vielversprechend an.
»Wusste Jessica denn nicht, was das für Verabredungen waren? Sie hält sich doch zugute, alles über Sir Hugo zu wissen.« Den kleinen Seitenhieb konnte Becky sich nicht verkneifen.
»Ich hab sie gefragt, und sie hat auch keine blasse Ahnung. Ich hab immer gedacht, es wäre vielleicht eine andere Frau, aber Jessica hat gemeint, das sei nicht unsere Sache. Wenn wir es zu unserer Sache gemacht hätten , könnten wir Ihnen jetzt vielleicht helfen. Egal, was für kleine Macken Sir Hugo hatte, den Tod hatte er nicht verdient.«
Weil sie spürte, dass jetzt gleich wieder Tränen fließen würden, beschloss Becky, die Sache zu Ende zu bringen.
»Okay, danke, Rosie. Melden Sie sich bitte, wenn Ihnen noch etwas einfällt. Ganz gleich, wie trivial es Ihnen erscheint, sagen Sie es uns bitte.«
B ecky berichtete Tom von den Gesprächen, während sie von London nach Oxfordshire fuhren.
»Gut gemacht, Becky. Interessant, dass das einzige Mädchen, das in den letzten paar Wochen vermisst wurde, wieder aufgetaucht ist. Vielleicht schließt das eine Theorie aus, aber nicht unbedingt. Jetzt bringen wir Lauras Vernehmung erst mal hinter uns, und mit Imogen muss ich auch noch sprechen, und dann fahre ich zu der Exfrau – nach allem, was man so hört, eine ziemlich unsympathische Frau.«
»Ich muss Ihnen was sagen, Tom: Jessica hat so was an sich, dem trau ich einfach nicht. Wir sollten sie nicht außer Acht lassen. Die war anscheinend hin und weg von Hugo. Wir müssen mal nachprüfen, ob die seine Geliebte war.«
Tom nickte, doch in dem Moment bogen sie in den Torweg von Ashbury Park ein und fuhren die Auffahrt hoch. Beide betrachteten das graue, düstere Haus durch die noch düstereren Büsche und Sträucher. Die lange Zufahrt zum Haus war bis ins dichte Waldgelände hinein von hohen Bäumen gesäumt, und entlang der Auffahrt standen wild wuchernde Rhododendronhecken, die in Blüte hübsch aussehen mochten, in dieser Oktoberzeit die Zufahrt jedoch noch trostloser und dunkler machten.
»Wissen Sie was, Becky, bei diesem Haus überkommt mich das kalte Grausen. Es könnte wirklich schön sein, bloß ist alles so dunkel. Die Bäume sehen fast bedrohlich aus, und
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