Hintergangen
entging Tom nicht. Er vermutete, dass Laura sich in der Vergangenheit über Hugo lustig gemacht hatte, es aber nun im Licht der Ereignisse der letzten Tage bereute. Womöglich übertrug er aber einfach die beißenden Untertöne seiner Exfrau auf Laura.
Tom war noch nicht bereit, das Thema fallen zu lassen.
»Wenn er diese Burschen tatsächlich aus dem Markt drängen wollte – damit meine ich die Zuhälter –, dann waren die doch bestimmt ziemlich sauer auf ihn, oder? Ich habe das immer so verstanden, dass er sich auf gefährlichem Terrain bewegt hat.«
Laura musterte ihn bekümmert.
»Entschuldigen Sie – wahrscheinlich ist meine Unterstellung nicht gerechtfertigt. Selbstverständlich war er dadurch in Gefahr, und er war bestimmt sehr tapfer. Es ist nur so, manchmal hat es sich angefühlt wie in einem schlechten amerikanischen Film. Vor allem bei öffentlichen Veranstaltungen hat er sich Leibwächter genommen, diese Auftritte wurden als die größte Bedrohung betrachtet.«
In diesem Augenblick stieß Imogen die Tür auf und kam mit einem Tablett voll Tee, Kaffee und Keksen herein. Ein guter Zeitpunkt, fand Tom, um die Befragung zu beenden.
»Nur noch eines, bevor wir die Getränke einschenken: Meinen Sie, wir könnten uns die Telefonnachricht mal anhören? Ist zwar bloß Routine, hilft uns aber bei der Festlegung von Datum, Uhrzeit und so weiter.«
»Selbstverständlich. Ich zeige Ihnen, wo das Telefon ist.«
Während Imogen Tee und Kaffee für alle einschenkte, gingen die drei über den kargen Flur in das gegenüberliegende Zimmer.
»Das ist Hugos Arbeitszimmer. Hier war sein persönlicher Bereich, und ich war nur selten hier. Schauen Sie sich ruhig überall um. Ich glaube, die Aktenschränke sind abgeschlossen, und ich fürchte, ich weiß nicht, wo die Schlüssel sind – Sie können aber gern danach suchen oder die Schränke aufbrechen, wenn Sie wollen. Probieren Sie den Computer, vielleicht haben Sie mehr Glück als ich.« Laura deutete auf das Telefon. »Bitte sehr.«
Tom warf einen Blick auf das blinkende Licht, dann wieder zu Laura hinüber. »Es sind vier Nachrichten. Darf ich mir alle anhören?«
Laura nahm diese Information etwas überrascht, jedoch völlig unbesorgt, zur Kenntnis und nickte bloß. Tom drückte auf die Abspieltaste, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Uhrzeit auf der Maschine stimmte.
Die erste Nachricht war die von Laura am Samstag, genau wie sie gesagt hatte. »Hugo, Liebling, ich habe gedacht, du wärst heute früh zu Hause? Alexa kommt doch, nicht wahr? Könntest du ihr sagen, mein Flug geht zwar erst am Nachmittag, ich sollte aber so gegen acht da sein, vielleicht ist sie ja dann noch wach. Ich freue mich darauf, euch beide heute Abend zu sehen. Die Oliven habe ich noch geerntet, wir können uns also auf viel köstliches Öl freuen. Bis später.«
Tom stellte fest, dass Laura kurz nach zwölf angerufen hatte, also als Hugo bereits tot war.
»Oliven?«, fragte er. Er wollte die Stimmung auflockern, weil er dachte, der Anruf hätte Laura vielleicht aufgeregt.
»Ja, wir haben ungefähr zwanzig Olivenbäume. Das ist zwar nicht viel, aber ich finde, das Ernten hat so eine wohltuende Wirkung. Am Freitagnachmittag war ich fertig damit. Ach Gott, ich habe ganz vergessen, ich wollte sie ja heute früh zum Pressen abholen lassen. Wenn ich nicht dran denke, sind sie bald verdorben!«
Bei der nächsten Nachricht ertönte eine Mädchenstimme aus dem Lautsprecher.
»Daddy, ich bin sauer auf dich! Wieso hast du unser Wochenende abgesagt? Ich hab mich so drauf gefreut, und du hattest mir doch versprochen, wir reden über das neue Pony für mich. Wir wollten es uns doch zusammen noch richtig schön machen, bevor Laura wiederkommt. Ruf mich an, wenn du das abhörst. Ich bin wirklich traurig, du musst dir schon was einfallen lassen, um das wiedergutzumachen.«
Das war unverkennbar eine enttäuschte Tochter.
»Wussten Sie, dass er ihr gemeinsames Wochenende abgesagt hatte?«
Laura zuckte die Achseln.
»Nein, ich hatte keine Ahnung. Sie haben doch gehört, ich hab damit gerechnet, dass sie hier sein würde.«
Tom drückte die Taste, um die nächste Nachricht abzuspielen, dabei fiel ihm auf, dass Laura nun am Fenster stand, mit dem Rücken zum Raum, und in das kalte und trübe Oktoberwetter hinausschaute.
»Sir Hugo? Hier ist Peter Gregson. Entschuldigen Sie, dass ich Sie zu Hause anrufe, ich weiß, das soll ich nicht. Die Sache ist die: Es geht um Danika. Sie wissen
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