Hintergangen
was ich sagen sollte. Voller Besitzerstolz hat Hugo mich angesehen.
»Dein neues Zuhause, Laura. Ist es nicht großartig?«
Ich war sprachlos. Zum Glück hat Hugo meine Reaktion als Zustimmung aufgefasst. Das Haus ist wirklich riesig – du hast es ja gesehen! Von Ausmaßen, die ich mir nie hätte träumen lassen, und die Kombination aus Größe und trostloser Kargheit erschütterte mich. Immer die Optimistische, habe ich meinem schönen Gatten jedoch ein strahlendes Lächeln geschenkt. Das sage ich gern, trotz allem, was seither geschehen ist.
Mein Optimismus war allerdings nur von kurzer Dauer. Von innen wirkte das Haus sogar noch verstörender als von außen. Es stimmt, die weite Eingangshalle hat eine schöne, geschwungene Treppe, die sich zur rechten Seite hin recht majestätisch erhebt und eigentlich spektakulär aussehen könnte. Der Steinfußboden ist wirklich wunderschön (wenn auch etwas schäbig), ebenso der riesige graugrüne Aubusson-Teppich, der fast die ganze Bodenfläche bedeckt. Doch alles sieht dunkel und verwahrlost aus, wie in einem Horrorfilm eigentlich. Diese düsteren Wände – alle in einem ziemlich schmutzigen Beige, und dann die bedrückenden Ahnenporträts! Das Schlimmste aber sind die Hirschbocktrophäen und die Glasvitrinen mit den ausgestopften Tieren. Dieses abscheulich aussehende Wiesel!
Ich habe reglos dagestanden und mich umgeschaut. Hugo hat mich mit unergründlicher Miene beobachtet, und ich weiß nicht, woran es gelegen hat, vielleicht an der Anspannung der letzten Tage, jedenfalls habe ich etwas Unverzeihliches getan: Ich habe gelacht.
Zwar habe ich mich gleich wieder gefangen, das hat es aber nur noch schlimmer gemacht.
»Entschuldige, Hugo. Das Gebäude ist natürlich unglaublich und hat enormes Potenzial. Deiner Mum hat es sicher sehr gefallen so – und wir werden einen Riesenspaß daran haben, es in unser Heim zu verwandeln, stimmt’s? Es wird bestimmt großartig.«
Oh Gott! Ich habe mich immer mehr verrannt und gemerkt, wie er langsam erstarrt ist.
»Über deine Ansichten bezüglich meines Zuhauses reden wir dann später, Laura«, sagte er ziemlich kühl. »Vorab müssen wir aber unsere Gäste empfangen. Ich hoffe, du findest den Rest des Hauses und die Vorkehrungen, die ich getroffen habe, akzeptabler als die Eingangshalle.«
Ich bin mir wie abgestraft vorgekommen. In dem Ton hatte Hugo noch nie mit mir gesprochen. Doch dann habe ich mich albern gefühlt. Er mit seinem tadellosen Geschmack konnte unmöglich finden, dass der Eingangsbereich toll aussah.
»Liebling, ich bin sicher, was du organisiert hast, ist alles absolut perfekt. Ich kann es auch kaum erwarten, das Haus zu erkunden und Pläne zu schmieden.« Dann habe ich im Eingang meine Eltern gesehen. Weil sie Hugo immer noch nicht richtig vorgestellt worden waren, habe ich mich zu ihnen gewandt und versucht, die Situation aufzulockern.
»Mum, Dad, kommt doch herein. Wir reden gerade über dieses sagenhafte Haus. Das wird ein herrliches Heim für unsere Familie! Was habe ich für ein Glück!«
Am Gesicht meiner Mutter habe ich deutlich ablesen können, dass ihre Gedanken sich von meinen nicht allzu sehr unterschieden haben. Ich habe unverdrossen weitergeredet und ihren geschockten Gesichtsausdruck ignoriert.
»Wir müssen unbedingt Zeit finden, damit ihr mit Hugo plaudern könnt, um ihn richtig kennenzulernen. Vielleicht später zwischen Abendessen und Tanz? Was meinst du, Hugo?«
Er war nicht gewillt, sich vor meinen Eltern von der besten Seite zu zeigen, und hat leider, muss ich sagen, etwas hochnäsig reagiert. Kein sehr verheißungsvoller Auftakt für ihre Beziehung.
»Selbstverständlich verbringe ich gern ein bisschen Zeit mit deinen Eltern, Laura. Nach dem Hochzeits frühstück , wie du vorgeschlagen hast. Getanzt wird allerdings nicht. Es ist noch kein Jahr her, dass meine Mutter in diesem Haus gestorben ist.«
Darüber war ich etwas enttäuscht, denn ich tanze furchtbar gern und bin mir sicher, dass ich es erwähnt hatte, als wir über den Ablauf der Hochzeit geredet hatten. Es leuchtet aber wohl ein, ein Trauerjahr ist obligatorisch.
Jedenfalls ist das Frühstück absolut exquisit gewesen, und die Galerie hat so schön ausgesehen mit all den Blumen, dass ich die scheußliche Eingangshalle völlig vergessen habe. Ich konnte nur an eins denken, nämlich daran, dass Hugo das alles für mich gemacht hatte.
Der Tag ist viel zu schnell zu Ende gegangen, und nach dem Abendessen haben sich alle
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