Hintergangen
Minimum beschränken. Er hat erklärt, es sähe doch merkwürdig aus, auf meiner Seite so viele Leute und auf seiner niemand. Das kann ich verstehen (obwohl Mum nicht sehr entzückt war, wie sie dir sicher gesagt hat). Von der Arbeit habe ich meinen Chef Simon und seine neueste Freundin eingeladen, außerdem ein paar von den Kapitalgebern. Die sind ja immer nützlich.
Apropos Job: Den gebe ich auf. Ich weiß noch nicht recht, wie ich das finde, aber wenn ich weiterarbeite, würden Hugo und ich uns kaum sehen können. Ich werde wahrscheinlich genug damit zu tun haben, mich ums Haus zu kümmern, und kann hoffentlich ehrenamtlich bei der Stiftung mithelfen. Wir haben schon darüber gesprochen, aber Hugo meint, am besten soll ich mich erst mal in mein neues Leben einfinden, und dann können wir das entscheiden.
Es ist so: Eigentlich muss ich nicht arbeiten. Geld ist natürlich kein Thema. Und ich will so viel Zeit wie möglich mit Alexa verbringen (wer weiß, vielleicht haben wir ja Glück, und nächstes Jahr um diese Zeit ist noch ein Kleines zu versorgen!). Meine Anteile werde ich allerdings in der Firma lassen. Simon hat angedeutet, dass ein anderes Unternehmen Kaufinteresse bekundet hätte – in dem Fall könnte ich einen ganz schönen Batzen Geld einstreichen.
Allmählich werde ich ganz aufgeregt und kribbelig. Nicht bloß weil der »große Tag« naht, sondern auch weil ich mich frage, ob ich bereit bin, die Ehefrau einer so prominenten Persönlichkeit zu sein. Mein Hochzeitskleid ist im Übrigen traumhaft. Hugo war mit mir bei dieser unglaublichen Frau, die macht die herrlichsten Roben. Eigentlich dürfte er es bis zum Hochzeitstag gar nicht sehen, habe ich protestiert, aber das fand er großen Quatsch. Ich glaube, er hat sichergehen wollen, dass ich nichts allzu Freizügiges auswähle. Er ist der Meinung, bestimmte Regionen meines Körpers sollten für sein ganz privates Vergnügen aufgespart werden.
Ich kann es kaum erwarten.
Alles Liebe und Küsse,
Laura
15. Kapitel
September 1998
Liebe Imogen,
heute ist der Tag nach meiner Hochzeit. Und nichts ist so, wie ich es erwartet hatte.
Zunächst einmal habe ich gedacht, dass ich erst nach den Flitterwochen wieder Zeit haben würde, das hier zu schreiben. Dabei haben die noch nicht mal angefangen!
Aber von vorne …
Der Morgen meines Hochzeitstags begann wolkenverhangen, aber wenigstens regnete es nicht. Ich war so aufgeregt wie noch nie in meinem Leben, habe vor Nervosität beinahe gezittert. Ich wollte unbedingt mein neues Zuhause sehen – und Hugo. Weißt du noch, wie die Hochzeitskarossen auf der Hauptstraße vor dem Hotel vorgefahren sind? Das gesamte Personal hat sich in einer Reihe aufgestellt, um mich am Arm meines Vaters heraustreten zu sehen. War das nicht wunderschön? Es tut mir leid, dass ich dich nicht bitten konnte, Brautjungfer zu sein. Ich wollte, aber Hugo fand erwachsene Brautjungfern – noch dazu verheiratete – ein bisschen seltsam. Er hat mir versichert, du würdest das verstehen. Hoffentlich hatte er recht.
Die Kirche und die Blumen waren perfekt. Alles arrangiert von Hugos »Team«, wie er es genannt hat, als absolute Überraschung für mich. Hugo hat ebenfalls sensationell ausgesehen, findest du nicht? Der schwarze Frack mit silbergrauer Weste – wie der Held aus einem Liebesfilm.
Und dann nach der Trauung ist es endlich nach Ashbury Park gegangen. Ich weiß nicht, was du erwartet hast, Imo, ich war jedenfalls genauso gespannt darauf, mein neues Zuhause zu sehen wie auf die Hochzeit selbst. Als der Wagen durch das Tor gefahren ist, habe ich das Haus immer noch nicht sehen können. Es war fast, als ob es sich vor mir verstecken wollte. Als wir dann um die Biegung gefahren sind und das Haus gesehen haben, hat mich – ich muss es schrecklicherweise so sagen – ein Schauder des Entsetzens durchfahren. Die riesigen Bäume haben im Wind geschwankt, ihre langen Äste an den Fenstern gekratzt, und das dichte Buschwerk hat nur einen winzigen Vorhof freigelassen, total überschattet vom Blätterdach darüber. Bestimmt ist das Haus mit den grauen Steinmauern und dem zinnenbewehrten Dach ein schönes Beispiel mittelalterlicher Architektur, aber es ist schwarz angestrichen, und die großen Fenster wirken von außen verlassen und leblos.
Dieses Haus – das Haus, in dem ich jetzt sitze und diese Zeilen schreibe – hat eine Strenge und Schwere, die sich fast feindselig anfühlt. Hast du das auch gespürt?
Ich wusste nicht,
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