Hintergangen
ebenfalls unglücklich. Eine Trennung war immer schwierig, aber Laura war ja immerhin nicht geschieden. Trotzdem hatte Stella sie immer tiefer in diese jämmerliche Hoffnungslosigkeit versinken sehen, und es hatte ihr das Herz zerrissen. Die beiden Freundinnen hätten einander mehr denn je gebraucht und nicht zulassen sollen, dass ein Streit sie entzweite. Stella hatte es satt, von diesen beiden außen vor gelassen zu werden. Und von Will. Der war auch nicht besser.
»Ist es nicht allmählich Zeit, dass mir jemand sagt, was vor all den Jahren wirklich passiert ist? Was konnte denn so schlimm sein, dass nicht nur du und Will euch habt scheiden lassen, sondern auch Laura plötzlich nicht mehr mir dir geredet hat? Und wieso wollte mir niemand die Wahrheit sagen, denn die Geschichte, die ihr euch da ausgedacht habt, war doch Quatsch!«
Imogen schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe – eine Angewohnheit aus Kindertagen, die immer darauf hindeutete, dass sie gestresst war. Sie beugte sich über den Tisch und ergriff Stellas Hand.
»Gott, Stella – es tut mir so leid. Du hast recht – wir haben dir nicht die Wahrheit gesagt. Will wollte dich vor der Erkenntnis schützen, was für ein schrecklicher Mensch ich in Wirklichkeit bin, und ich wollte einfach, dass du mich weiter lieb hast.«
Stella sah, dass Imogen mit den Tränen kämpfte, widerstand jedoch der Versuchung, sich hinüberzubeugen und sie zu umarmen. So würde sie nämlich nie die Wahrheit erfahren. Sie drückte ihr stumm die Hand und wartete ab, bis Imogen bereit war fortzufahren.
»Ich glaube, irgendwie hatte Laura das Gefühl, sie sei schuld. Sie hat sich damals ja für fast alles verantwortlich gefühlt. Ich hätte dir ja längst schon die Wahrheit gesagt, hatte aber immer noch gehofft, Will würde einlenken. Also sage ich es dir jetzt , aber zuerst mache ich mir einen Kaffee.«
Stella wollte, dass Imogen durch nichts abgelenkt war, und so erschöpft sie auch war – dieser Sache endlich auf den Grund zu kommen war es auf jeden Fall wert, dass sie sich von ihrem bequemen Sitzplatz erhob.
»Erzähl du, Imogen. Ich mache den Kaffee und dazu ein bisschen Toast für uns beide.«
Sie nahm den Wasserkessel und hörte, wie Imogen einen tiefen, zitternden Atemzug nahm und ihn langsam wieder ausstieß. Sie sprach leise, als würde sie von der Scham von vor all diesen Jahren überwältigt.
»Erinnerst du dich, dass Will vor unserer Trennung einen Job in einem Hilfsprojekt gesucht hat? Er war wirklich überzeugt, dass er etwas bewirken könnte, und ich wäre überallhin mitgegangen – als Freiwillige. Es hat ein ganz bestimmtes Projekt gegeben, an dem er besonders gern mitgearbeitet hätte. So gern übrigens, dass er Laura gebeten hatte, doch mit Hugo zu sprechen, ob der es eventuell mit einer Spende unterstützen würde. Will hatte gedacht, wenn er einige Geldmittel auftreiben könnte, würden sie ihn leichter ins Team aufnehmen.
Wir hatten immer noch nichts von Laura gehört, als ein überraschender Anruf von Hugo kam. Er hat uns für das Wochenende eingeladen. Ein alter Schulfreund von ihm sei in der Gegend, und da würde er uns auch gern dabeihaben. Wir sind sprachlos gewesen. In den paar Monaten seit ihrer Hochzeit hatte Hugo uns nie zu einem Besuch ermutigt, und ich hatte Laura bloß ein-, oder zweimal kurz gesehen – beide Male im Haus in London anstatt hier draußen – und niemals allein.«
Stella stellte ihr eine große Tasse Kaffee hin. Imogen wirkte völlig abwesend – bestimmt durchlebte sie jede Sekunde von damals noch einmal.
»Die Einladung kam aus heiterem Himmel, und wir haben erfreut zugesagt. Wir haben gedacht, Hugo würde sich allmählich mit dem Gedanken anfreunden, dass wir ein wichtiger Teil von Lauras Leben waren. Am Tag bevor wir hinausfahren wollten, hat Will einen Anruf von der Firma in Irland erhalten, die das Hilfsprojekt leitet. Sie würden einen Ingenieur suchen und wollten wissen, ob Will vielleicht zu einer Besprechung am Samstagmorgen rüberfliegen könnte? Keiner von uns war verwundert, dass der Termin auf einem Samstag gelegen hat. Will hat sogar überlegt, ob Hugo sich womöglich dazu durchgerungen hatte, eine Spende zu schicken. Rückblickend betrachtet ein Witz.
Will musste natürlich nach Irland, aber da es zu kurzfristig war, habe ich beschlossen, die Einladung bei Hugo allein anzunehmen. Die Firma in Irland hat alles für Will organisiert und gesagt, die Tickets lägen in Heathrow bereit für
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