Hintergangen
E-Mail-Konten hatten sie zwar gesperrt, aber die Kommunikation über soziale Netzwerkseiten war ihnen irgendwie entgangen.«
Da es auch Stella entgangen war, fuhr Imogen ohne weitere Erklärung fort.
»Ich war mir sicher, dass mit Laura alles in Ordnung war, doch sie hatte offenbar aufgegeben. Ich wollte ihren Kampfgeist wiederbeleben und den Menschen zurückholen, den dieser Dreckskerl beinahe zerstört hatte.«
Ihre Worte waren so voll Verachtung, dass die beiden anderen Frauen zunächst schwiegen. Dann ließ Stella die Bombe platzen.
»Imogen, ich will, dass du mir die Wahrheit sagst: Hast du Hugo umgebracht?«
Ohne langes Zögern antwortete Imogen.
»Nein, Stella. Ich kann vollkommen aufrichtig sagen, sosehr ich ihn auch verachtet habe – ich habe ihn nicht umgebracht.«
In dem Moment spürte Becky, wie sich hinter ihr etwas bewegte, und sah, wie Mrs Bennett soeben durch die offene Haustür auf sie zukam. Zum Glück war der Flur, in dem Becky stand, dunkel, doch weil sie wusste, in wenigen Sekunden würde sie entdeckt werden, stieß sie summend die Tür zur Küche auf und tat überrascht beim Anblick des vollen Raumes.
»Ach, Sie sind ja alle früh auf. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass Mrs Bennett mich hereingelassen hat. Konnten Sie denn alle gut schlafen?«
Drei Augenpaare wandten sich abrupt zu ihr, als sie sich durch die ersten paar Sekunden lavierte. Alle wirkten leicht geschockt, doch Becky tat so, als würde sie es nicht merken. Mrs Bennett kam gleich hinter ihr herein.
»Guten Morgen, Lady Fletcher, Mrs Kennedy und Mrs Kennedy. Ah, Sergeant – ich sehe, Sie haben sich noch keinen Tee gemacht. Setzen Sie sich doch, ich kümmer mich drum. Will sonst noch jemand einen, solange ich Frühstück mache?«
Becky bemerkte Stellas verwirrtes Stirnrunzeln. Ihr war offensichtlich nicht entgangen, dass Becky seit ihrem Eintreten kaum Zeit gehabt hatte, zum Teekessel zu gehen, geschweige denn sich ein heißes Getränk zu bereiten. Sie hoffte bloß, dass sie sich nicht erklären musste.
Nach einer Tasse Tee empfahlen sich nacheinander alle aus der Küche – um nicht in dieser gespannten Stimmung ausharren zu müssen, vermutete Becky. Bestimmt war Stella mit dem Verhör ihrer Tochter und Schwiegertochter noch nicht fertig. Doch als Imogen sagte, sie wolle ein Bad nehmen, konnte Becky sich denken, dass sie sich damit so viel Zeit wie möglich lassen würde. Obwohl sie einander so nahestanden, glaubte Becky nicht, dass Stella Imogen ins Bad folgen würde.
Eine betrübt aussehende Stella war wieder ins Cottage hinübergegangen, um sich anzuziehen. Sie hatte Laura vorgeschlagen, doch mitzukommen, doch diese hatte höflich abgelehnt und gesagt, sie brauche ein paar Minuten mit Becky.
Während die Tür hinter Stella zuging, warf Laura Becky ein reumütiges Lächeln zu.
»Verzeihung, Becky, ich brauche Sie eigentlich gar nicht. Es ist bloß so, dass Mum unbedingt jedes Detail meines Lebens während der letzten zehn Jahre aus mir herausquetschen will. Das trägt aber nicht zu den Ermittlungen bei, sondern befriedigt bloß ihre Neugier. Ich würde lieber gehen und Zeitung lesen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich nehme an, wenn Sie etwas zu berichten hätten, dann hätten Sie es mir ja inzwischen gesagt.«
Etwas verwirrt schaute Becky ihr nach. Täuschung und Ausflüchte lagen in der Luft, und sie hatte Mühe, Toms »weichen« Ansatz gegenüber diesen Frauen nachzuvollziehen. Er war fest davon überzeugt, ohne hieb- und stichfeste Beweise würde eine zähe Vernehmung bloß dazu führen, dass Schranken aufgerichtet wurden und die Wahrheit vielleicht nie gesagt wurde. Becky war dagegen lieber proaktiv, und da Tom später nach Oxfordshire herauskommen würde, konnte er ja vielleicht etwas ganz Bestimmtes mitbringen.
Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und entfernte sich weit genug vom Haus, um sicherzugehen, dass sie nicht belauscht werden konnte.
»Tom, heute früh habe ich ein interessantes Gespräch gehört. Es gibt viel zu berichten, aber mir ist da was eingefallen. Wir wissen ja, dass Imogen Kennedy von Paris hergeflogen ist, und haben überprüft, dass sie nicht am gleichen Tag auch aus London abgeflogen ist. Aber hat jemand eigentlich die Passagierliste für den Eurostar überprüft? Mit dem dauert es ein paar Stunden. Dadurch hatte sie vielleicht Zeit.«
Erfreut hörte Becky in Toms Stimme einen Anflug von Respekt bei ihrem Vorschlag, doch natürlich glaubte er nicht, dass diese
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