Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
Vom Netzwerk:
man sowieso nicht —, und seine Hände waren im Verlauf seines Nomadenlebens rau und rissig geworden. Dann noch verschossene Khakihosen, ein abgetragenes Armeehemd mit durchgescheuertem Kragen, alte, ausgelatschte, aber auf Hochglanz gebrachte braune Halbschuhe und ein Filzhut mit Schweißrändern. Eine Investition von nur achtzehn Dollar in einem Laden der Heilsarmee machte aus Wyatt einen hiesigen Hinterwäldler. Er sah nun aus wie einer, der sich durch Brombeerhecken kämpft, Pferdetröge sauber hält, Jungtiere entwöhnt, um sie finanzkräftigen Anwälten aus der Queen Street auszuliefern, die am Wochenende auf die Halbinsel fuhren, um ihre Töchter aufs Pferd zu setzen.
    Seine Größe und sein Gang waren ein Problem. Er entschied sich für einen Stock — ein lahmes Bein, das war’s.
    Was blieb, war sein Gesicht. Zwar wurde es von dem Hut verdeckt, aber das schmale, markante Ensemble aus Augen, Mund und knochiger Nase, dieser ernste, mitunter abweisende Gesichtsausdruck könnten jemandem dort bekannt vorkommen. Wyatt entschied sich für eine Doppelstrategie: Am Mittwochmorgen rasierte er sich nachlässig, ließ am Hals und im Gesicht jede Menge Bartstoppeln stehen, und er trainierte Nasenatmung, wobei er die oberen Schneidezähne auf die Unterlippe setzte. Das verlieh ihm einen sanften, aber auch leicht debilen Anstrich.
    Gegen elf Uhr checkte er aus dem Trailerpark aus. Hemd, Hose, Hut und Stock lagen im Auto; die letzten beiden Tage hatte er Jeans und T-Shirt getragen und er wollte jetzt unter keinen Umständen auffallen. Hinter Frankston steuerte er eine kleine Seitenstraße an und zog sich um.
    Die Zufahrtswege zu seiner Farm und die Auffahrt waren nahezu verstopft, parkende Autos, Traktoren und Landrover standen kreuz und quer inmitten der Zypressen. Erst mehrere hundert Meter weiter fand Wyatt eine Parkmöglichkeit. Auf seinen Stock gestützt, humpelte er dann zurück zu seinem einstigen Haus. Halb zwölf. In etwa zwanzig Minuten würden sich die versprengten Haufen zu einem großen zusammenrotten und dem Auktionator wie eine Herde folgen.
    Er schob sich an ihnen vorbei. Niemand achtete auf ihn. Blieb ein Blick an ihm hängen, drückte er kaum mehr als Gleichgültigkeit, bestenfalls vermischt mit einer Spur Mitleid, aus. »Er hatte ganz hübsche Sachen«, bemerkte eine Frau im Vorbeigehen und ihre Finger streichelten ein Sideboard aus Walnussholz. Sie schien irritiert, als wäre ein Killer mit Hang zu schönen Dingen für sie unvorstellbar. Wyatt humpelte weiter. Er kannte jeden Fleck, jeden Kratzer seiner Möbelstücke, aber hier draußen, unter freiem Himmel, wirkte alles herrenlos und schäbig.
    Er ging um das Haus herum. Die Leute waren sensationslüstern, und plötzlich empfand er Hass für sie. Wo sie jetzt standen, hatte ein Krimineller, ein Mörder gelebt und das elektrisierte sie; ihre Hände wurden feucht und unverhohlene Neugier lag in ihren Blicken. Wyatt ließ seine Augen umherwandern, war auf der Suche nach dem Gesicht, dass nicht hineinpasste, dem Gesicht desjenigen, der seine Tarnung auffliegen lassen könnte. Ohne Ergebnis.
    Jemand läutete eine Glocke und der Auktionator bat um Aufmerksamkeit für Versteigerungsobjekt Nummer eins: sechzig Flaschen edlen Mornington-Rotweins. Wyatt hielt sich im Hintergrund und verdrückte sich dann zu den Nebengebäuden, ein Farmer, der sich für richtiges Werkzeug und Maschinen interessiert, nicht für diesen extravaganten Kram.
    Sein Weg führte ihn zur alten Milchkammer, einer uralten Holzkonstruktion, voller Spinnweben, mit windschiefen Wänden und einem vom Rost zerfressenen Wellblechdach. Er schlüpfte hinein. Sollte er hier auf jemanden treffen, würde er spontan eine liebenswürdig-verlegene Unterhaltung in Gang setzen. Doch die Milchkammer war leer. Er ging hinüber zu den Melk-Boxen. Die Unebenheit des Bodens verriet ihm, dass die Cops die Steinplatten hoch genommen hatten. Selbst an den Wänden hatten sie sich zu schaffen gemacht und so Myriaden von Rotspinnen und vertrockneter Insektenhüllen aus über einem Jahrhundert zutage gefördert. Nur die Trennpfosten hatten sie vergessen. Wyatt reckte sich, griff an die Kante und tastete nach der kleinen Plastiktüte mit den Banknoten im Hohlraum des Pfostens.
    Plötzlich hörte er Schritte. Jemand pfiff. Wyatt fuhr herum und ging hinüber zur Tür. Im Gegenlicht der Sonne stand eine Gestalt. Wyatt nickte freundlich mit dem Kopf. »Schönen Tag auch«, sagte er und humpelte an dem jungen Mann vorbei

Weitere Kostenlose Bücher