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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Krücke weg.«
    Der Stock flog über eine Pflanzung junger Bäume. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung. Der Geruch von Harz lag in der klaren Luft und von der Auktion drangen Wortfetzen zu ihnen herüber. Die alten Kiefern standen dicht an dicht und hatten dem ohnehin schon kargen Waldboden auch noch die letzten Nährstoffe entzogen. Unter Wyatts Schuhsohlen knisterten Kiefernnadeln. »Runter auf den Bauch!«, befahl der Typ, und Wyatt legte sich auf den Boden. Ein Käfer krabbelte näher und verharrte kurz an seinem Daumen. Wyatt spürte den festen Druck eines Nike-Schuhs auf seinen Lendenwirbeln.
    Vor drei Monaten hatte er in genau diesem Wäldchen einen Mann erschossen. »Wie heißt du?«, fragte Wyatt.
    Der Typ antwortete mit einem heiseren Lachen, dann sagte er: »Wie schmeckt dir Finn?«
    Vor drei Monaten hatte Wyatt auch die Kanzlei eines Anwalts namens Finn ausgeraubt. Der Job, den Anna Reid ins Rollen gebracht und mit dem er sich in den Schlamassel geritten hatte, in dem er nun steckte. »Der Name sagt mir was.«
    »David war mein Bruder. Man könnte also behaupten, dass die Sache nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen persönlichen Aspekt hat.«
    Beide schwiegen. Die Stimme des Auktionators war verstummt und man hörte die Geräusche abfahrender Autos. »Drüben werden sie jetzt den Papierkram erledigen«, sagte Finn. »So lange warten wir hier.«
    Eine halbe Stunde später stieß er Wyatt mit dem Fuß an. »Los geht’s.«
    Sie stiegen den Hügel hinauf zur Farm. Der Boden rund um das Haus und die Schuppen zeugte von der Gegenwart von achtzig Besuchern: Papierfetzen, Müll, zertretene Pflanzen. Alle Autos waren weg. Sie waren allein. Zufrieden schob Finn Wyatt in die Milchkammer.
    »Hier warst du zuerst drin. Das Zeug ist hier gebunkert, stimmt’s?«
    Von Anfang an hatte etwas Drohendes in Finns Stimme gelegen. Wyatt wusste, dass es gefährlich war, auf Zeit zu spielen. Der Knabe würde nicht zögern, ihm das Messer so lange zwischen die Rippen zu bohren, bis er redete. Und er würde seine Freude daran haben. »Dort«, sagte Wyatt und zeigte auf den Pfosten.
    »Hol’s runter.«
    Wyatt streckte sich und griff nach oben, zerrte die Plastiktüte mit dem Geld hervor und drehte sich vorsichtig um. Jetzt sah er Finn zum ersten Mal. Kompakte Gestalt mit leichtem Stiernacken, kleine Hände, dünne Unterarme und ein Dutzendgesicht.
    Wortlos übergab Wyatt das Geld.
    Finn nahm die Tüte und trat einen Schritt zurück. Das Messer hielt er noch in der Hand und fuchtelte damit in der Luft herum. Wyatt beobachtete, wie er einen verstohlenen Blick in die Tüte warf. Es war ein Bündel Hunderter, zusammengehalten mit einer Büroklammer. Etwa zwanzig Scheine, nichts, was fett in der Hand lag. Ungläubig blickte Finn ihn an. »Wo ist der Rest?«
    »Ich hab dir gesagt, es ist nicht der Rede wert. Es gibt keinen Rest.«
    Finn machte einen Schritt auf Wyatt zu und knurrte: »Ich glaub dir kein Wort, Arschloch. Ich wette vielmehr, dass du auf der ganzen Farm mal hier, mal da was versteckt hast. Hab ich Recht?« Er machte eine Kopfbewegung. »Los, Arschgesicht, wir schauen uns die Pumpe an.«
    Finn hatte bereits zwei Fehler gemacht. Er hatte Wyatt gestattet, sich umzudrehen, und er hatte die Beherrschung verloren. Seine ganze Wut schien sich jetzt in der Hand zu konzentrieren, die die Geldscheine hielt. Er schlug Wyatt die Lappen ins Gesicht und vergaß dabei die Hand, die das Messer umklammerte. Wyatt nutzte diese Chance und trat mit seinem rechten Fuß dagegen. Es folgte ein weiterer Stoß mit der harten Kappe seines Schuhs gegen Finns Knöchel. Finn heulte auf und fiel zu Boden. Wimmernd umklammerte er den Fuß mit beiden Händen.
    Doch dieser Zustand würde nicht von Dauer sein. Er war jung und das Messer lag griffbereit an seiner Seite. Wyatt steuerte auf die Tür zu, machte einen Satz, als Finn ihn mit dem Messer attackieren wollte. Ihm blieben höchstens dreißig Sekunden, um eine der Klappen am Sockel zu öffnen und die Automatik aus ihrem Versteck zu ziehen. Sollte der Zahn der Zeit an den Schraubenmuttern genagt haben, wäre sowieso alles zu spät.
    »Wyatt!«, brüllte es hasserfüllt hinter ihm. Wyatt war bereits in dem schummrigen Schuppen, kniete sich hin und tastete den Sockel ab. Irgendetwas stimmte nicht. Anstelle der Klappe war ein Loch. Und anstelle der Automatik fühlte er nur Staub und Dreck.
    »Suchen Sie etwa das hier?«
    Wyatt stand auf und blickte in die Richtung, aus der die Stimme

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