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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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die vornehmen, die von dem Geldtransfer gewusst hatten. Dazu gehörten zuallererst die Mitarbeiter der Filialen und natürlich die der Sicherheitsfirma. Kämen sie da nicht weiter, würden sie ihr Augenmerk auf alle anderen richten, die informiert gewesen waren. Würden Freunde und Nachbarn ausquetschen, und Anna Reid hätte sich für diesen Unbekannten zu rechtfertigen, den sie, bekleidet mit einem Morgenmantel, am Sonntagmorgen zum Abschied an der Tür geküsst hatte. Und zwar eine Woche vor dem Überfall auf die TrustBank in Logan City. Deshalb verließ Wyatt um drei Uhr morgens das Haus. Über sie gebeugt, ließ er sich von ihr Gesicht, Hals und die Ohren küssen. Er fühlte ein Prickeln am ganzen Körper.
    Auf dem Coronation Drive in Auchenflower winkte er ein Taxi heran und ließ sich etwa vier Blocks entfernt vom Victoria Hotel absetzen. Den Rest legte er zu Fuß zurück. Die Rezeption war verwaist. Gegen zehn Uhr morgens riss ihn das Getöse der Reinigungskräfte draußen im Flur aus dem Schlaf. Er fühlte sich ausgeglichen und wusste auch warum. Zu lange hatte ihm die Anspannung im Nacken gesessen, jetzt hatte er sie abschütteln können. Gejagt, hintergangen, mittellos, hatte er in der letzten Zeit im Stil eines unerfahrenen, kleinen Gauners agieren müssen, unangemessen brutal und nur dem Instinkt folgend. Doch die Stunden mit Anna, die Aussicht auf den Job hatten wie ein Befreiungsschlag gewirkt und er fühlte seine alte Form.
    Um elf ging ein Expressbus nach Logan City. Wyatt wäre lieber mit einem Auto gefahren, doch er wollte das Risiko, eines zu klauen, nicht eingehen; ebenso wenig wollte er Anna Reids fünftausend für einen Wagen verschwenden, der sich möglicherweise als unzuverlässig entpuppte. Außerdem waren ihm sämtliche gefälschten Papiere abhanden gekommen, so dass er auch keinen Mietwagen nehmen konnte. Mit ihm waren noch sechs weitere Fahrgäste im Bus. Zwei Männer und eine Frau, die alle nach einer durchzechten Nacht ziemlich durchhingen; ein älteres Ehepaar, das der Kleidung nach zu urteilen auf dem Weg in die Kirche war; ein Mann im Trainingsanzug, der eine Adidas-Tasche dabeihatte. Wyatt saß ganz hinten, unter dem Notausgangsfenster, so hatte er den Rücken frei und den Bus im Blick.
    Das Einkaufszentrum verbreitete die morbide Weltuntergangsstimmung einer billigen Studioproduktion. Jemand hatte in der Nacht einen Stein gegen die Scheibe eines Juweliergeschäfts geworfen; die Scheibe war zwar gesplittert, aber nicht zerbrochen. Ein Damenslip und ein angebissener Apfel teilten sich das Gitter eines Gullys vor einer Milchbar vis-à-vis der TrustBank-Niederlassung. Die Milchbar hatte geöffnet, doch die lange, breite Straße war menschenleer. Wyatt ging hinein, bestellte einen Kaffee und kaufte eine Sonntagszeitung. Er setzte sich an einen runden Plastiktisch am Fenster und nippte an seinem Kaffee.
    Hinter seiner Zeitung nahm er die Bank ins Visier. Wie heutzutage üblich, handelte es sich um eine Konstruktion aus Sicherheitsglas, Aluminium und Betonfertigteilen. Hinter der Tür des verglasten Haupteingangs stand der Geldautomat, die Fenster davor mit breiten Vertikaljalousien vor Blicken von außen geschützt.
    Wäre er ein Cowboy, würde er mit einem Truck direkt hineinsteuern und sich um Kopf und Kragen bringen. Oder mit gezückter Waffe auftauchen, um hilflos mitansehen zu müssen, wie Sicherheitsschranken sich automatisch schlossen — vorausgesetzt es gab welche. Doch selbst wenn er es hinter die Schalter schaffen würde, gäbe es keine Garantie, von dort ungehindert in den Tresorraum zu gelangen. Er müsste eine Menge Zeit und Geduld aufwenden, um die verängstigten Bankangestellten zur Mitarbeit zu bewegen, und auch dann könnte er nicht sicher sein, dass nicht jemand Alarm auslöste. Gab es ein Zeitschloss, das seitens des Filialleiters beim geringsten Anzeichen aktiviert würde, wäre alles vorbei. Kein Zugriff auf die Kohle, es sei denn, man arbeitete mit einem Bohrer oder sprengte das Ganze in die Luft. Oder man wartete vierundzwanzig Stunden, bis das Zeitschloss die Tür wieder freigab.
    Wyatt verließ die Milchbar und schlenderte hinüber auf die andere Straßenseite. Weiter hinten, an einer Haltestelle, fuhr ein Bus knatternd davon. Irgendwo bimmelte eine Kirchenglocke. Der Geruch von frischem Toast lag in der Luft, und er vermutete, dass sich oberhalb der Schaufensterfronten Wohnungen befanden.
    Das Mauerwerk entlang der Seitenstraße hatte weder Fenster noch Türen.

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