Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
eine lustige Geschichte? Lässt sich so was wie Humor aus einer Dominokette japanischer Terroristen gewinnen?
Meiner Meinung nach nicht.
Wenn ich zu lange darüber nachdenke, reißen mich die unvergessenen Bilder runter. Der Mann mit der Waffe, der entsetzt auf seine kaputte Hand starrt.
Der letzte japanische Soldat, der mit hoher klarer Stimme eine schlichte Melodie singt. Seitdem habe ich versucht, das Lied zu finden. Ich weiß nicht, warum. Es klang, als würde er immer wieder die Worte Abend oh weh wiederholen, aber das kann es nicht gewesen sein. Das wäre die falsche Sprache.
Die Luft in der Kirche war zum Schneiden und drückend feucht, ein Pesthauch, der sich in unseren Uniformen festsetzte. Und Tommy kauerte auf dem Phalangisten, der höchstens achtzehn Jahre alt war, und fragte uns alle, ob wir’s melden oder einfach unserer Wege ziehen und so tun sollten, als sei nie irgendetwas geschehen.
Wir entschieden uns für den Weg des geringsten Widerstands. Wir banden den einzigen überlebenden Gefangenen los, fesselten den Phalangisten mit demselben Strick, was den Göttern der Ironie ein grimmiges Nicken entlockt haben muss, und entfernten uns so schnell wie möglich von dem Blutbad, weil es nach einer so dermaßen misslungenen Aktion zwangsläufig nach Angst und Tod stinkt.
Übrigens fanden wir eines Nachts in der Kaserne heraus, wonach Angst stinkt, und ich glaube immer noch, dass die Formel stimmt: zu fünfzig Prozent nach abgestandenem Schweiß, zu dreißig Prozent nach Blähungen und zu zwanzig Prozent nach dem eigenen persönlichen Höllenpfuhl. Wo auch immer dir das Böse, das dir passiert ist, passiert ist.
Wenn mich die Angst packt, ist der Gestank aus dieser Kirche mit den gefesselten Leichen, der die Geister der Bräute vertrieb, die von ihren Vätern hier durch den Mittelgang geführt wurden, meine erste sinnliche Assoziation.
Ich habe für dasselbe plädiert wie die anderen. Nichts wie weg hier.
Abend oh weh.
Ich weiß. Klingt nach einem Flashback, aber zum Glück hab ich so was ja nicht.
Mir bleibt jetzt nur noch ein Eisen im Feuer. Und das ist weder meins, noch habe ich das Feuer selbst angezündet, ich muss es nur löschen, bevor mir die Metapher entgleitet und niemand mehr eine Ahnung hat, wovon zum Teufel hier eigentlich die Rede ist.
Einfach ausgedrückt: Irish Mike Madden glaubt, ich schulde ihm noch was. Nach der ganzen Scheiße, die passiert ist, glaubt Mike immer noch, dass ich eine Rechnung zu begleichen habe. Allmählich denke ich, dass er niemals zufrieden sein wird.
Aber ich weiß auch Dinge, die ihn belasten könnten, wie zum Beispiel, dass er mich wie ein trojanisches Pferd in die ganze Sache mit Shea und Freckles reingezogen hat: schön und glänzend von außen, tödlich von innen. Und wenn man ein Türchen öffnet, kommt Achilles heraus und bringt den Tod. Wenn man so ein Bild erklären muss, ist es wahrscheinlich auch überflüssig. Trotzdem denke ich, hätte das mit dem trojanischen Pferd funktioniert, hätte ich’s einfach so stehenlassen. Als Bild.
Egal, ich muss jetzt jedenfalls bei ihm vorbeifahren und hoffe, ihn in Gönnerlaune anzutreffen, weil sich die Situation mit Shea so schön aufgelöst hat. Mike ist jetzt nicht nur aus dem Schatten des New Yorkers getreten, sondern er kann vielleicht sogar dessen Geschäfte übernehmen, wodurch er in die Liga der ernstzunehmenden Akteure aufsteigen würde, was ganz praktisch wäre, wenn die Jungs in Jersey erst mal die Nase voll davon haben, dass ein Ire die Fäden zieht.
Also ist es durchaus möglich, dass Mike uns für quitt erklärt und wir uns wieder den Alltagsgeschäften widmen können.
Möglich, aber kaum wahrscheinlicher, als dass eine Hyäne einen Klumpen rohes Fleisch wieder ausspuckt, der daraufhin von einem Supermodel verzehrt wird. Das ist nämlich ganz und gar unwahrscheinlich, weil Hyänen Fleisch niemals nicht essen und Supermodels niemals welches essen. Außerdem würden sich Fragen der Hygiene ergeben, und auch der geographische Faktor spielt eine Rolle, da man in der schwarzafrikanischen Wüste selten Supermodels antrifft.
Abgesehen von Iman.
Und Waris Dirie.
Ich will nur sagen, es ist un wahrscheinlich.
Ich glaube, mein Therapeut hat recht. Vielleicht gehe ich zu dekonstruktivistisch vor. Trotzdem würde ich einwenden, dass sich mittlerweile nicht mehr leugnen lässt, dass Fashion Police zur Allgemeinbildung beiträgt.
Derart optimistisch gestimmt, nehme ich keine Waffen mit. Außerdem
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