Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

arbeitete hart an ihrer Festnahmequote und lernte, was das Zeug hielt, weil sie spätestens mit dreißig Detective sein wollte. Sie schaffte es zwei Jahre schneller.
    Krieger und Fortz nutzten meine Freundschaft zu Ronelle aus, um mich in ihren Wagen zu locken. Ihnen muss klar sein, dass ich sie anrufen werde, sobald meine Hand nicht mehr zittert. Dass die beiden Cops sind, wird Ronnie nichts bedeuten, sie hasst korrupte Bullen mehr als gewöhnliche Verbrecher. Und damit steht auch sie auf der Liste der Gefährdeten. Fortz kommt mir nicht vor wie einer, der Dinge irgendwie ungeklärt lässt. Erst werden sie hinter mir her sein und anschließend Ronelles Tod als Unfall inszenieren.
    Ich muss was unternehmen.
    Ich rufe Ronelle an, aber die Mailbox springt an, weshalb ich eine kurze Nachricht hinterlasse, die möglichst dringlich, aber nicht verzweifelt klingen soll.
    Ronnie. Hier ist Dan. Wir müssen uns treffen. Ich bin mega gefickt.
    Mein Ton wird darauf schließen lassen, so hoffe ich, dass es was Ernstes ist. Mir fällt ein, dass Ronnie vielleicht gar nicht weiß, was es mit mega auf sich hat, und wenn man das nicht weiß, könnte die Nachricht auch ein bisschen albern rüberkommen. Ich hoffe, sie wird mir den Ernst der Lage anhören. Wahrscheinlicher aber ist, dass Ronnie nichts kapiert. Sie wird das Gesagte wörtlich nehmen, mehr nicht. Nur ich habe diese schreckliche Angewohnheit, alles Mögliche irgendwo hineinzuinterpretieren, was niemand sonst nachvollziehen kann. Als würden alle immerzu in Metaphern sprechen oder ihre Absichten vermittels winzigster Gesten kundtun, deren wahrer Bedeutung man permanent auf den Grund gehen muss. Das kommt davon, wenn man in seiner Kindheit von einem Elternteil geschlagen wurde: Ständig versucht man, die Zeichen zu lesen, die Stimmung zu erahnen, um sich zurückzuziehen, wenn’s mal wieder hart auf hart kommt.
    Irgendwann wird einem klar, dass Leute normalerweise, wenn sie blinzeln, einfach nur blinzeln, dass es sich um keinen geheimen Code handelt, oder wenn sie sich im Bett wegdrehen, dies nicht bedeutet, dass sie einen nicht mehr lieben, sondern nur, dass man spitze Ellbogen hat.
    Manchmal ist ein Tiger, tiger tiger burning bright , doch nur ein Tiger.
    Ich weiß das, aber jahrelanges Verprügeltwerden hat aus dieser Gewohnheit einen Reflex werden lassen.
    Halte nach Anzeichen Ausschau. Alles hat etwas zu bedeuten.
    In gewisser Weise ist es ganz praktisch, wenn man geschlagen wurde. Ich kann so ziemlich alles, was ich je ausgefressen habe, meinem Dad in die schuldigen Schuhe schieben.

    Aus irgendeinem Grund hatte ich mich in einem freistehenden Haus draußen außerhalb der Stadt vermutet. Vielleicht sogar in einem Haus mit Garten. Wo die Nachbarn entsetzt reagieren, wenn sie herausfinden, dass dort Pornos gedreht werden.
    Ich kann’s kaum glauben. Es war immer so ruhig in dem Haus. Die Leute lebten zurückgezogen, nie wurden Partys gefeiert.
    Doch als mein Kopf wieder klar genug für eine kleine Bestandsaufnahme ist, merke ich, dass mir der Schallschutz des Pornofilmstudios den Orientierungssinn vernebelt hat. Ich stehe nämlich im Gang eines New Yorker Hochhauses, ganz ohne Zweifel. Das lässt sich anhand der Straßengeräusche, die im Treppenhaus aufeinanderprallen, einwandfrei feststellen. Verkehr und Ströme von Fußgängern. New Yorker, die knappe Nachrichten in ihre Handys brüllen, das entzückte Gurren der Touristen, die zum ersten Mal einen Blick auf den Trump Tower oder den Apple Store werfen, und die Mischung aus arabischen Dialekten, die man nicht mal in Guantánamo finden würde. Auch die Gerüche sind vertraut: Straßenimbisse, heißer Asphalt und das Gummi von Millionen von Reifen.
    New York. Die Kasper haben mich nach New York verschleppt.
    Zu meiner Linken befindet sich ein Fahrstuhl, der mich an eine Hintertür im Erdgeschoss bringen würde, aber ich pferche mich lieber nicht da rein. Anders als das Kino glauben macht, gibt es meist keine unverriegelte Fluchtklappe in der Decke, falls der Action-Held in Schwierigkeiten gerät. Im Fahrstuhl bist du im Zweifelsfall, wie man unter uns Puffmüttern sagt, total gefickt.
    Gar nicht leicht, mit der Jugendsprache mitzuhalten. Neulich im Club habe ich zu einem Collegetypen FUBAR gesagt und einen Blick kassiert, als würde ich noch Schwarzweiß senden.
    Tango and Cash, Kleiner. Kauf dir doch mal eine DVD .
    Aus dem Grund steige ich also nicht in den Fahrstuhl. Aber auch, weil in mir die Phantomerinnerung