Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
anschaffen gehen, weil ich Kohle für Schnaps gebraucht habe.« Sie zwinkert. »Das kennst du doch, Edit, oder?«
Einer der umstehenden Portiers kichert hämisch, und ich beschließe, dass dies der ideale Augenblick ist, meine Tante von hier fortzuschaffen, bevor wir alle rausgeworfen werden.
Ich fasse Evelyn am Gürtel und marschiere mit ihr an dem Kicherer vorbei. »Die Fahrstühle sind da hinten, Edit, hab ich recht?«
Edits Louboutins (Fashion Police) klappern auf dem Marmor, während sie sich beeilt, mit mir Schritt zu halten.
»Ja, die großen goldenen Türen. Kannst sie gar nicht verfehlen.«
Stimmt nicht ganz. Man könnte sie durchaus verfehlen. Hier sind nämlich alle Türen groß und golden, selbst die vor den Klos. Aber ich kombiniere scharfsinnig und entscheide mich für die mit dem Rufknopf.
Das Penthouse der Costellos wirkt jetzt dezenter, da Edit die Vorhänge zugezogen hat. Ich erinnere mich, schon einmal hier gewesen zu sein, in dem Jahr, bevor Dad das Familienauto gegen eine Betonwand fuhr. Ich war fünfzehn, und Mom war mit mir hier, um einen Versöhnungsversuch zu starten. Sie dachte damals, dass das Eis möglicherweise schmelzen würde, wenn der alte Costello mich sehen und wie in einen Zeitspiegel blicken würde, denn ich war dem jungen Paddy wie aus dem Gesicht geschnitten. Mom wollte eigentlich nicht herkommen, aber dort, wo sie sonst war, wollte sie auch nicht mehr sein, und deshalb ließ sie sich von Evelyn zu der Reise überreden.
Vater möchte Dan sehen, hatte uns Evelyn bei ihrem letzten Besuch versichert. Dan ist ein Kämpfer, und du weißt doch, dass Dad was für kernige Kerle übrighat. Ich weiß noch, wie ich im Vorraum saß und auf meine Audienz wartete, beunruhigt wegen der Beschreibung als kerniger Kerl .
Damals schien mir das Penthouse der Costellos so was wie die Akropolis, mit griechischen Säulen und Porträtbüsten auf Sockeln. Die Inneneinrichtung war die reinste Testosteron-Schule, wozu auch der ausgestopfte Kopf eines Zwölfenders und ein präparierter Berggorilla gehörten, wobei mir Letzterer mit seinem starren Blick eine Heidenangst einjagte, obwohl ich wusste, dass es Glasaugen waren. Ich erinnere mich, dass Mom den Gorilla umarmte und ihn Buttons nannte, aber dadurch wurde er mir nur noch unheimlicher. Wäre er in diesem Moment zum Leben erwacht und hätte meine Mom zwischen seinen mächtigen schwarzen Pranken zerquetscht, hätte ich mich nicht im Geringsten gewundert.
Man ließ uns eine halbe Stunde warten, dann leuchtete ein grünes Licht über der Tür zum Arbeitszimmer, was bedeutete, dass Mom der Zutritt erlaubt wurde.
Sie drückte meine Hand und sagte: »Okay, Dan, ich gehe jetzt in die Höhle des Löwen. Mach dir keine Sorgen, wenn du Geschrei hörst. Paddy Costello unterhält sich immer so.«
Mom verschwand, die extra hohen Türen ließen sie elfenhaft wirken, und es gab jede Menge Geschrei, eigentlich sofort. Es gelang mir, mich einigermaßen zurückzuhalten, bis ich das schrille Klirren von brechendem Glas hörte, scheiß drauf dachte und in die heiligen Gemächer vordrang.
Ich fühlte mich in der Rolle des Beschützers ziemlich gut. Erst in der vorangegangenen Woche hatte ich meinen Dad so fest von mir gestoßen, dass er sich das Rückgrat an der Tischplatte angeknackst hatte, und auch Jungs, die viel älter waren als ich, machte ich regelmäßig fertig. Sicher kam ich mit einem alten Mann klar.
Paddy Costello war nicht der Riese, den ich mir ausgemalt hatte, tatsächlich war ich sogar einen halben Kopf größer, aber der Mann strahlte jede Menge Energie aus und verfügte über eine ungeheuer einschüchternde Aura. Mit seinem dunkelbraunen Kinnbart, der drahtigen Statur und dem wilden unruhigen Blick erinnerte er mich an einen Ziegenbock. Wild blickte er vom Trophäenkabinett, dessen Glastür er mit dem Buch, das er eigentlich nach meiner Mutter geworfen hatte, zertrümmert hatte, zu seiner Tochter, die zusammengekauert auf einem Holzstuhl saß, anschließend zu mir, dem Jungen, der gekommen war, um seine Mutter zu retten.
Mein Großvater spuckte auf seinen eigenen Fußboden, dann zeigte er mit ausgestrecktem Finger auf mich, als wäre ich schuld daran, dass er ein Buch hatte werfen müssen. Ich wusste nicht, was ich zu dem alten Mann sagen sollte – ich sage alt, aber wahrscheinlich war er damals gerade erst fünfzig –, aber es musste etwas Beeindruckendes sein. Mein Mund machte sich selbständig und heraus kam: »Fick dich, du alter
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