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Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Sack.«
    Das fick dich kratzte Paddy überhaupt nicht. Der alte Sack aber brachte ihn zur Weißglut.
    »Alt? Wenn ich will, hau ich dir mit einem Schlag die Rübe ab.«
    Ich machte mir nicht die Mühe, verbal auf die Provokation zu reagieren. Ich nahm nur die Haltung ein, die mir mein Boxlehrer an der Schule gezeigt hatte. Jetzt konnte er sich entweder mit mir prügeln oder die Klappe halten.
    Paddy tat keins von beidem. Er lachte leise, entblößte eine Reihe schiefer Zähne und ging hinter seinem Schreibtisch vorbei zum Trophäenkabinett.
    »Der kleine Daniel. Ein Costello, wie er leibt und lebt. Es verstreicht kein einziger Tag, ohne dass mir jemand mit Geschichten vom kleinen Daniel in den Ohren liegt.«
    Ich tat nichts, behielt ihn nur im Auge. Möglicherweise war er ein hinterlistiges Arschloch.
    »Daniel ist schlau, und er ist zäh. Daniel könnte die Geschäfte weiterführen, vielleicht sogar den Namen.«
    Paddy griff durch den Ring aus scharfkantigen Scherben in den Trophäenschrank, ignorierte die frische Schnittwunde an seinem Zeigefinger.
    »Ich will dir was sagen, Daniel«, sagte er und zog ein Buch heraus. »Ich brauche niemanden, der meine Geschäfte oder meinen Namen weiterführt. Ich werde länger leben, als irgendein Mensch je gelebt hat, und danach lasse ich mich begraben. Dann ist mir dieses ganze Theater hier scheißegal. Von mir aus kann die Welt zur nuklearen Hölle fahren, ich werde es nicht mitbekommen. Ich bereue nichts. Ein paar Dinge habe ich vermisst, aber ich stelle keine Fragen, denn ich habe mein Leben geliebt, so wie es war.«
    Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, ihr Vater kenne nur zwei verschiedene Launen: schlecht und noch schlechter. Dies hielt ich für eine Kostprobe der noch schlechteren.
    Paddy warf mir das Buch entgegen, und reflexartig fing ich es auf.
    »Hier ist ein Test für dich, Junge. Das Buch ist eine signierte Erstausgabe von The Fountainhead . Du könntest sie gleich heute für zehntausend Dollar verkaufen. In der neunundfünfzigsten Straße wohnt jemand, der dir sogar zwölftausend dafür geben würde. Wenn du sie aber ein paar Jahre länger behältst, wird sie das Zehnfache wert sein. Überleg es dir gut, Junge, denn etwas anderes als dieses Buch wirst du nie von mir bekommen.«
    Ich blickte auf das Buch mit dem Spritzer seines Blutes, der langsam in den Ledereinband sickerte, dann auf den Mann, meinen Großvater, der es mir schenkte. Er wollte, dass ich es ihm ins Gesicht zurückschleuderte, aber das wollte ich nicht, denn wenn der kleine Patrick erst einmal ein paar Jahre älter sein würde, kämen wir mit zehntausend Dollar bis nach London. Weit weg von unserem Vater. Mom würden wir natürlich mitnehmen, so wie ich sie auch jetzt hier herausholen wollte. Also sagte ich:
    »Du trittst jetzt besser zwei Schritte beiseite, du alter Sack, sonst bist du sehr viel schneller unter der Erde als gedacht.«
    Er war nicht ganz überzeugt, dass ich es ernst meinte, also täuschte ich wie auf dem Schulhof einen Haken an. Ein solches Verhalten war er nicht gewohnt. Wahrscheinlich war es lange her, dass Paddy Costello ausgetrickst wurde, also zuckte er zusammen, und ich lachte ihn aus. In seinen Augen sah ich, dass er mich töten würde, wenn er könnte, gleich dort in seinem Arbeitszimmer, und ich wusste, dass ich Moms Schicksal als Verstoßene besiegelt hatte. Egal, diesem Mann verpflichtet zu sein versprach ohnehin nichts Gutes.
    »Raus hier«, schrie er. »Nimm meine … deine Mutter mit. Und lasst euch hier nie wieder blicken.«
    Also nahm ich meine Mutter mit und kam nie wieder. Bis heute.
    Und das Buch? Ich habe es gleich am nächsten Tag verkauft und die zehntausend im Kofferraum unseres Autos im Erste-Hilfe-Kasten versteckt. Als Dad den Wagen gegen die Wand fuhr, ist alles verbrannt.
    Ich sage mir oft, dass es vielen Menschen viel schlechter geht als mir, im Libanon, in Kalkutta. Aber an dunklen Tagen kann ich nicht anders, als zu denken, dass ich verflucht bin, ein bestimmtes Leben zu führen. Ich versuche, mich um meine Freunde zu kümmern und meine Geschäfte anständig abzuwickeln, aber stattdessen werden meinetwegen Menschen verletzt, oder ich bekomme Ärger mit Leuten, die mir weh tun wollen. Vielleicht ist mir ein finsteres Schicksal vorherbestimmt, oder vielleicht gilt das sprichwörtliche Glück der Iren nicht für mich.
    Jahre später entdeckte ich eine gebrauchte Ausgabe von The Fountainhead an einem Stand in der Mingi Street, dem großen Suk neben

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