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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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geleiteten die beiden nach außen, und sie zerrten an ihnen
     und liefen kreuz und quer durch die Gassen, bis sie hinter einem zerschrammten Container in Deckung gingen. Sie zogen die
     Messer, sie zogen aus dem hochgetürmten Schutt im Container Brocken heraus und legten sie nebeneinander auf das Pflaster,
     wer ihnen folgte und sie bedrängte, würde im Hagel der Geschosse den Rückzug antreten. Wen wollten sie töten? sagte Arad keuchend.
     Entweder hat der Kerl beim Wurf verzogen, oder er mag dich nicht besonders, sagte Eszter … Er? … Ich habe ihn gesehen, sagte
     Eszter, er muß einer von den Neuen sein, die der Mumienküsser rekrutiert hat, ich kenne ihn jedenfalls nicht … Wieso will
     mich M. ermorden lassen? … Weil du Straßenschmutz bist, den man vom Schuh abstreifen muß, sagte Eszter, und wenn wir schon
     dabei sind: Weil du dich mit Metall beschlagen läßt, als hättest du Hufe. Du glaubst, du bist besonders geschickt darin, zwei
     Herren zu dienen. Du hast dich mit mir getroffen, wie sieht das wohl für den Irren aus? Er ist eine böse Sau, die ihre eigenen
     Ferkel frißt …
    Sie hatte aber unrecht, das böse Tier trieb die Ferkel aus dem Pferch, daß sie die Straßen durchkämmten nach Opfern, und sie
     schwärmten aus, jedes Menschtier hielt ein Werkzeug zum Stechen, Reißen und Zerschmettern in der Hand: eine Säkelle, eine
     Baumhippe, einen mit Eisenkugeln gefüllten Damenabendhandschuh, eine zweiseitig gezahnte Effilierschere, Schnitzeisen, einen
     Beitel, ein stumpfes Spundbajonett, einen orthopädischen Stock und viele gespitzte Bleistifte – M., ihrAnführer, ihr Hirte, war der Versteckspiele müde, er mochte nicht länger fremdländische Produkte kaufen, um seine Migräneattacken
     zu bekämpfen, und, warum im Namen des wahren Königs, im Namen der ihm treu ergebenen Fürsten, im Namen seiner Krone, weshalb
     konnte er nicht wie in alten Zeiten in einem Wirtshaus sitzen und sich über die englische Übersetzung der Speisen und Getränke
     auf der Karte erregen?
    Seine Männer zogen durch die Stadt. Die Kontrolleure, die an den Fahrscheinentwertungsapparaten standen, ließen sie nach einem
     Blick auf den Hals durch, denn jeder Anbeter hatte eine Mumienklauentätowierung auf der Haut unter dem Kiefer, man sollte
     sie sofort erkennen, sie wollten jede Verwechslung ausschließen. Zsambor stieg an der Metrostation Nyugati aus und entdeckte
     in der Bahnhofshalle den Mann, der Arad mit Valium belieferte, er schlurfte ohne Scham mit dem braunen Pillenfläschchen herum,
     einige zerknitterte Geldscheine im festen Griff seiner rechten Faust, er schlurfte im Glauben, Interesse geweckt zu haben,
     auf Zsambor zu, und als er aber das Zeichen am Hals sah und zu Tode erschrak, war es zu spät, der Stich mit dem Beitel ließ
     ihn zu Boden gehen.
    Auf der Terezallee traf es zwei Straßenmusiker – der eine hatte dreizehn Gläser mit Wasser gefüllt, er saß auf einem Schemel
     und ließ die Schlegel vorsichtig auf die vollen Gläser sausen, er spielte die kleine Nachtmusik von Mozart, das Gläserspiel
     lockte seltsamerweise die jungen, traurig gestimmten Frauen an. Der Anbeter namens Botond stach in jenem Augenblick zu, da
     eine amerikanische Austauschstudentin leise zu weinen begann, sie war jedoch geistesgegenwärtig genug, die Flucht des Mörders
     zu vereiteln – sie stieß ihn einfach um, Botond wurde von traurigen Frauen festgehalten.
    Der andere Musiker legte zur selben Zeit ein Stück Seidenpapier um den Kamm und mußte beim Anblick eines brüllenden tanzenden
     Mannes an einen hüpfenden Hantelheberdenken, dem ein herabgefallenes Eisengewicht zwei Zehen gebrochen hatte; in Deak ter, dem Knotenpunkt der Metrolinien, befand
     sich der Graben, das war ein Club für Männer und Frauen, die auf den Stufen des einstigen Schachts des Nationaltheaters Wein
     und Cocktails aus Plastikbechern tranken, dorthin ging der Musiker, er holte tief Luft und begann, gegen den Kamm an seinen
     Lippen zu blasen, da aber erhob sich der Anbeter Kristofer von der oberen Steinstufe und schlug mit dem Damenabendhandschuh
     mehrmals auf den Kopf des Kammbläsers, und auch hier eilten junge Frauen zu Hilfe, sie waren mutig und munter, sie fanden
     es unpassend, daß ein Mann einen anderen Mann mit einem Stulpenhandschuh schlug, sie kamen gerade noch rechtzeitig, um dem
     Kammbläser das Leben zu retten.
    Auf der Aufsichtswarte des Stephandsdoms traf es eine Dunkelhäutige, die Brustspangen aus Blech und

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