Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
fremde Räuber, ein Söldner, den Troll schlugen sie derselben Schwefelbande zu, sie hatten uns entdeckt,
     sie drückten bestimmt die Faust in den Magen, daß die Galle hochkam, ich ließ mich widerwillig von Edison mitziehen, weil
     ich den harten mürrischen Kerlen nicht gewachsen war, wir hasteten stolpernd durch die bleichen weißen Schwaden, und er erklärte
     mir, daß er auf meine Hilfe angewiesen wäre, als Deutscher würde ich als vertrauenswürdig gelten, und wenn wir gleich vor
     der Tür der tschechischen Polin stünden, würde ihr Blick erst auf mich und dann auf ihn, meinen Assistenten, fallen. Ich wüßte
     ja, daß er in seinem Antikladen unschlagbar wäre, in der Welt draußen jedoch maß man ihm keine große Bedeutung zu, gerade
     eben hätte ich mit eigenen Ohren gehört, was man ihm androhte, wir könnten, wenn wir zusammenhielten, ein sehr gutes Geschäft
     machen …
    Die List der Witwe Wislawa, dachte ich, die listige Witwe, die mich in ihre Wohnung bittet, um mich einzustimmen auf den baldigen
     An- und Verkauf von Holzköpfen, es ist alles recht und richtig: Daß wir fliehen müssen vor einem aufgebrachten Holzknecht.
     Daß wir in Deckung gehen vor einem Geschoßhagel, daß wir kauern hinter zwei Reihen von aufgestapelten Obstkisten, damit wir
     nicht getroffen werden … Große spitze Steine flogen dicht über uns hinweg, einige schlugen weit hinten auf, andere trafen
     eine Tür, die aufgerissen wurde, und kaum daß der Mann im Türrahmen den Steineschmeißer verfluchte, hörte ich im Nebel den
     Knecht wider Gott lästern. Er brüllte dann, er würde sich eher den linken Fuß beidhändig abhacken, als die Plünderer zu schonen,
     er hätte in seinem ganzen Leben als Holzfäller nicht einen einzigen Fehlhieb getan, er wüßte, wie man Bäume und Menschen zu
     Fall brachte, er wüßte jede Lindwurmhöhle auszuräuchern … Seine Stimme versagte ihm plötzlich, dann hustete er stark, dann
     verschwand er.
    Wo war ich? Ich stand dem Geliebten der Polin gegenüber, der Troll hatte genickt, als ich ihn fragend ansah, und ich stellte
     mich vor, Daniel Heister ist mein Name, sagte ich und verbeugte mich leicht, Sie haben uns gerettet, jetzt müssen Sie uns
     nur noch aufnehmen, ich und mein Assistent würden uns gerne mit Ihnen über eine Sache unterhalten … Sie können mich nicht
     täuschen, sagte der Mann, Sie sind kein Polizist … Nein, sagte ich, wir handeln mit alten Gegenständen, und seien Sie beruhigt,
     wir möchten Ihnen nichts verkaufen, wir … Laß ihn herein, sprach die Frau hinter ihm, der andere bleibt draußen, er sieht
     mir aus wie einer, der zum Luftsprung ansetzt …
    Der Troll starrte sie an, doch sie ließ sich nicht erweichen, ich folgte ihr in die große Küche und staunte über den großen
     Teebecher, den sie mit beiden Händen unterfaßte. Sie bot mir getrocknete Aprikosen und Feigen an, ich lehnte ab, sie bot mirNüsse oder Sonnenblumenkerne an, ich bedankte mich und lehnte ab, ihr Geliebter klopfte mir von hinten auf die Schulter und
     wies mit dem Kinn auf den Hocker, ich nahm Platz und sprach ein zweites und ein drittes Mal meinen Dank aus, für die Zeit,
     die sie mir opferten, für ihr freundliches Benehmen, und bevor ich weiter ausholen konnte, legte sie den Becher auf den Tisch,
     holte aus einer Spanschachtel eine Zinnfigur heraus und sagte, dies wäre Nikolaus, der Struwwelpeter ins Tintenfaß tauchte,
     ich möge bitte die Tintenkleckse an Nikolaus’ Beinen bewundern und ihr verraten, ob es sich bei der Figur um ein wertvolles
     Stück handelte oder um Krempel. Im Aufspüren von Zeug von Tand von kleinem feinen Zierat kannte sich Edison aus, bestimmt
     hatte er die Arme angewinkelt und die Hände wie ein Mönch in die Ärmel gesteckt, bestimmt hauchte er den Nebel mit seinem
     Atemhauch dichter, und ich besah mir die Figur und sagte: ein Altersfleck der Moderne, ein Affenaffekt. Sie ließ die Spanschachtel
     fallen.

[ Menü ]
     
    Wie färbte man einen Greifvogel? Man schaute in die untergehende Sonne und schaute schnell zu dem herabstürzenden Falken:
     roter Kopf, rote Brust, rote Augen.
    Die Dame Vlasta und die Dame Wislawa aßen die Minzblättchen vom besten Krakauer Konditor, und sie lauschten schwermütigen
     Liedern über das plötzliche Verstummen der Frauen, über den Seelenfrieden, den sie nach vielen Liebschaften fanden, und die
     Witwe schloß die Augen, weil sie verstört war von der Dame Vlasta Worten, sie hatte ihr von den

Weitere Kostenlose Bücher