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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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und da schwebten wir über einer dunklen Stelle unter dem Boden eines Hauses, im nächsten Moment war sie verschwunden. Hatte
     sie mich in die Irre geführt? Doch ich schob es auf meine Verwirrung ob meines Todes, der nur wenige Tage zurücklag, ich fand
     mich nicht gut zurecht und verstand nicht, als aber die neue Frau im Leben des von mir lange bekochten Mannes auftauchte,
     verstand ich: Hier im Keller wollte sie es ausgraben, ein Ding, nein, viele Dinge wollte sie finden, es würde sie zu dem Kind
     machen, das einst verbotenerweise die Schubladen aufzog: darin die Souvenirs, das versteckte Hab ihrer Mutter. So oft hatte
     sie an der Holzdose gerochen, so oft hatte sie mit sich gekämpft und die Dose schweren Herzens wieder in die Schublade zurückgelegt.
    Der Winterwind zwang die dünnen Zweigspitzen, sich aneinanderzureiben, dieses Geräusch entsprach dem Widerhall eines Schreckens
     in einer Seele. Olivia erschrak im Keller, und ich hörte, daß sich zwei Zweige rieben – in mir oder in ihr? Eine Ungestorbene
     konnte unmöglich sehen, was wir Seelen sahen. Da schlug Heliodor mit einer Pfanne oder einem Topf gegen die Tischkante und
     rief sie nach oben, ich freute mich, denn damals war ich es gewesen, der ihn herbeigeklopft hatte, und lange, sehr lange,
     hielt ich mich bei ihnen auf: bei einem Mann, den die Nachbarn wegen seiner unglücklichen Wortwahl aufzogen; bei einer Frau,
     der ihr bekannte und unbekannte Frauen nachsagten, sie wäre zwar nicht geistesgestört, sie würden sie aber für eine schlechte
     Gesellschaft halten. Dann zog eine Kraft mich hinaus auf die Straße, und ich schritt, wie zu meinen Lebzeiten, an Heliodors
     Haus vorbei, und ich träumte, wie vor einigen Tagen, davon, meine Sammlung von Christusfiguren einem Museum zu vermachen.
    Die Seelen von zwei Toten aus Krakau waren heute aufgestiegen und aufgenommen worden, natürlich starben vielmehr Frauen und Männer, doch die beiden Gestorbenen suchten meine Nähe, und wir liefen übers neue Land, und die Seele des
     Mädchens bedeckte ihr Angesicht, um sich zu schützen vor den Blicken der wimpernlosen schwarzen Augen. Es verbrennt dich nicht,
     daß sie dich anschauen, sagte ich, es verbrennt sie, daß sie bis in alle Ewigkeit dazu verdammt sind, Löcher zu sein im azurblauen
     Samt des Himmels. Dies Mädchen wurde tot in der Wohnung ihres Freundes gefunden, den sie zum Einkauf in einem Supermarkt geschickt
     hatte, dort traf er seine Exfreundin, sie beschlossen, der alten Tage wegen, in einem Café über die neuen Sorgen zu sprechen.
     Das Mädchen trank eine Flasche Abflußreiniger leer und starb. Weswegen? Es verriet es mir nicht, es gehörte zu den Selbstmördern,
     denen die Gnade zuteil wurde. Ein anderer Selbstmörder aber mußte sich in der Ferne, am Rande unseres neuen Landes, aufhalten,
     also hatte er eine leichte Strafe abzubüßen: Ein dünner Rauchwirbel, blaß und rot. Der zweite Gestorbene zeigte auf ihn und
     sagte: eine kleine Pilzwolke, der Mund aufgerissen, die Zähne wie Knochensplitter, bleich und rot. Später würden wir mit ihm
     sprechen dürfen. Wir zogen zur Kuppe eines Hügels, der vom Mondlicht beschienen wurde, das Mädchen und der Mann, ihre Seelen,
     begannen, das Sterben zu verlernen, Tau auf ihre Haare wünschte ich ihnen an, und sie flackerten im Mondschein, aus Angst,
     es könnte eine Kraft sie verschlingen und ausspucken in die Nähe des jungen Mannes, dem jeder Schritt in unsere Richtung,
     jeder Schritt in unseren Nebel verboten war.
    Da verließ ich sie alle, um wieder zu Heliodor, dem Kellergeist, zurückzukehren, zwei Damen und ein Glühbirnenverkäufer saßen
     in seiner Küche, und ein Fremder mit leichtem Akzent besprach sich mit Olivia. Verschwörer, umgeben von vermorschten Möbeln.
     Gerbera, um den behaarten Stiel Draht in weiten Spiralen gewickelt, das Drahtende steckte in der Blüte, die Pflanze aufgerichtet
     durch eine Schiene. AmFuß der hohen Vase Staub. Ich sah dies alles, denn ich sah durch Edisons Augen – hatte er mich nicht kurz vor meinem Tod
     angesprochen mit den Worten: Sie sind bestimmt verheiratet, aber ich kann Sie trotzdem zum Lachen bringen. Hatte er nicht
     beim Abschied, da ich mich von ihm abwandte, mir zugeflüstert, ein Haus wäre ein Seelengrab, ein Satz, den er dem Fremden
     stahl, wie ich es nun wußte.
    Was wollten sie hier rauben … die Köpfe an der dunklen Stelle. Und nun sagte Olivia zu diesem Mann: Die Vase, die Sie anstarren,
     ist kein wertvolles

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