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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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verschlossen wirken wollte, stand er abrupt auf, streckte ihr die Hand entgegen und nannte seinen Namen:
     Karel; sie gab ihm die Hand undnannte ihren Namen: Vlasta. Dann lösten sich die Hände, sie hatten sich einander vorgestellt, es sollte möglich sein, das
     Gespräch auf andere freundliche Dinge zu lenken. Die Dame Vlasta verschwand im Nebenzimmer, die Katzen hatten gerufen, und
     als sie wiederkam, sah sie Karel mit großen Augen am Fenster stehen und den Kopf hin- und herdrehen.
    Sie raschelten im Unterholz. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Besucher. Und tatsächlich stapfte das Buschfräulein, das
     sich als Finna vorgestellt hatte, durch das welke Laub, wütend und verärgert über ihre Wut, sie warf sich gelegentlich auf
     den Boden, sie hielt aber ihre Schotenmütze an beiden Seiten fest, es war ihr gleich, daß ein Käfer sich an ihrem Zipfel festbiß
     und brummte, vielleicht war das ja eine Grille, die den Winter bislang unbeschadet überstanden hatte, die letzte lebende Grille
     im Wald. (Nein.) Finna, deren wirklichen Namen man nur leise in den engen Stollen wisperte, Finna also hatte Holunderzweige
     in die Maulwurfshügel gesteckt, und sie hatte die Erdkrümel von ihrem Kittel abgeklopft, und weil Gnömchen sich über die Faulheit
     der Menschen nur wundern können, war sie nach dieser Arbeit gespannt gewesen, was man ihr und ihnen an Arbeit auftrug. Nichts.
     Der Bauer, der sie seit langem kannte, war vor dem Ofen eingeschlafen, seine Stube hatten sie danach gefegt und gefeudelt,
     und dann aber standen sie ratlos herum – wo nicht Mist und Unrat geschaufelt werden können, wo nicht der Staub aufwirbelt,
     wenn man einen Schritt geht, ist kein Aufenthalt mehr möglich für die Närrchen. Die Wut hatte Finna – die nicht Finna heißt
     – gepackt, sie stürzte kreischend (also fiepend) hinaus und zerbiß einen in den Erdhügel getriebenen Holunderzweig, und dann
     den nächsten und den nächsten. Die anderen Zwerge hüpften hinter ihr her, es war nicht ratsam, sie von dem Zerbeißen abzuhalten,
     und irgendwann schrie (also summte heiser) Finna sie an, sie sollten sie gefälligst in Ruhe kreischen lassen.
    Das Moosweiblein schälte Streifen von Baumrinde ab,trampelte Halme nieder und machte Eulen nach, so daß ihre Augen fast aus dem Kopf fielen, schließlich rannte sie zum Waldhaus
     der Frau und nagte eine Treppenstufe an, als plötzlich der Kopf eines fremden Menschen am Fenster erschien. Sie rollte sich
     zu einer Kugel zusammen und hörte den Mann sagen, daß da draußen etwas wäre, die Frau hielt ihn davon ab, rauszugehen und
     nachzusehen – er verschwand vom Fenster. Dafür klopfte jemand Finna auf die Schulter, sie japste (also piepte) und schlug
     sich sofort auf den Mund. Wieder der Kopf am Fenster. Sie erstarrte. Tunk hinter ihr erstarrte. Kopf wieder weg. Finna und
     Tunk krochen rückwärts zurück in den Wald, und erst dann traute sie sich, ihm die Ohrläppchen zum Schlackern zu bringen. Aus
     einem anderen Leben gefallen zu sein in diese Welt, in der für die Riesen ein Kuß nicht viel galt; in dieser Welt, da die
     Riesen um die Herrschaft rangen, gelegentlich unsichtbar zu werden: Die Närrchen waren es leid, ständig auf der Hut sein zu
     müssen, es entsprach nicht ihrer Natur, und deshalb konnten Zwerge sich wegen Nichtigkeiten balgen. Die beiden Gnömchen (deren
     Namen wir nicht wissen und von denen wir glauben, daß sie Spuk des Windes und Gewisper der Nacht sind) vergaßen bald den Streit,
     hängten sich an Wurzeln, streckten und reckten sich, sie schlossen die Augen und öffneten sie wieder, denn die Bilder hinter
     ihren Lidern erzählten die Geschichte ihrer Auszüge aus Wäldern und Stollen. Doch der Versteckspiele waren sie überdrüssig,
     und die Zwerge hatten beschlossen, sich in die Welt der Menschen einzubrennen, sich dummen und klugen Bauern zu zeigen, und
     Finna erzählte Tunk, dem Zwitterwesen – halb Mann, halb Frau –, daß die Dame Vlasta dabei war, ihr Herz an einen Taxifahrer
     zu verlieren. An einen neugierigen Mann, der viel zu oft am Fenster stand und die Augen aufriß, in der Hoffnung, das Gewisper
     der Nacht möge sich in klare Bilder übersetzen.
    Und auch der Komponist schien langsam zu begreifen,noch ahnte er mehr, als daß er wußte, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sein Blick von den Baumkronen und dem Himmel
     hinunterschweifte zu allem, was in den Schatten stand, in den Schattenverstecken reglos hing: Er hatte den Blick

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