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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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für das Kleine,
     das Unannehmbare. Das Moosweiblein und der Zwitterzwerg schauten hinüber zum Waldhaus, das Kerzenlicht malte flackernde Finger
     auf die Fensterscheiben, dahinter verborgen eine Frau und ein Mann, flackernde Bilder in ihren Gesichtern, nichts als Zufall,
     daß sie in sein Taxi gestiegen war, nichts als Zufall, daß ihr gewesener Mann sie angerufen hatte, nichts als Zufall, daß
     sie mit dem großäugigen Mann zusammensaß, mitten in der Nacht. Drei Zufälle ergaben einen Wunsch. Ein Wunsch war ein Tagtraum.
     Ein Tagtraum machte die Riesen zwei Köpfe kleiner. Kleinheit war eine schöne Möglichkeit … Finna forderte Tunk auf, nicht
     länger das Alphabet der Zusammenhänge durchzugehen, davon bekam sie Nasenzwicken.
    Dort drin aber saßen sie nur beieinander. Für einen unsichtbaren Dritten sah es aus, als hätten die Dame Vlasta und Karel
     einander nichts zu sagen, der Mann und die Frau waren nur verschämt, und er sagte: Ein kleines Abenteuer wäre doch auch in
     Ihrem Sinne – das aber war eine Liebeseinleitung, die nach Anweisung klang. Sie erstarrte. Er erstarrte. Dann entschuldigte
     er sich für seine Worte und fragte, ob er gehen müßte, er hätte es ja verdient. Er durfte bleiben und auf dem Sofa liegen,
     sie lag wach im Nebenzimmer, er starrte das Närrchen Finna an, sie wippte auf seinen Zehen. Als er Anstalten machte, sich
     zu erheben, bedeutete sie ihm, liegenzubleiben, er starrte das Närrchen Finna weiter an, die hüpfte und hüpfte und hüpfte,
     um neben seinem Kopf zu knien und ihm etwas ins Ohr zu wispern. Nein, nicht irgend etwas, keine kurze oder lange Geschichte,
     keine Märchen oder Legenden – nicht irgend etwas, sondern etwas. Erst kratzte sich Karel an den gekräuselten Haaren, dann
     mußte er heftig niesen. DieDame Vlasta wünschte von nebenan Gesundheit, und er bedankte sich lächelnd bei der feinen Dame.

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    Hallo. Hier deine Mutter. Hast du eine Münze gefunden? Ich habe nichts von dir gehört. An deiner Stelle würde ich die Glücksmünze
     in einer Schublade ganz vorne aufbewahren. Beim Herausziehen rutscht die Münze nach hinten, und das heißt, daß du die Stolperfallen
     des Tages überspringst. So geht der Aberglaube. Was man glaubt, das findet einen, gleich oder später. Zieh bitte eine deiner
     dickeren Strumpfhosen an, und … Piep.
     

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    ritter
    Wie ein frisch entlassener Schmuckdieb mit einer Grazie an seiner Seite den Verräter sucht und seinen besten Freund, den Fotografen,
     findet
    Ein bißchen von allem, reichte das, oder war es zu wenig für einen Mann seines Schlages? Kam er um bei dem Gedanken, daß er
     sein Muldentablett unter die volle Kelle gehalten hatte und nun auf seine Portion starrte und feststellte, daß er im Vergleich
     zu seinem Vordermann die kleinere Hühnerbrust bekam – trieb ihn deshalb die Wut an?
    Ich stand hinter ihm und hörte ihn tief Luft holen. Er trat nicht aus der Schlange. Er bezahlte an der Kasse. Ein ordnungsgemäßer
     Verlauf, hier in der Kantine legte ich Wert darauf, ich hielt es für wichtig, daß ein dicker Mann wie er für Frauen keine
     Bedrohung darstellte. Daß ein zweifacher Mörder versucht hatte, ihm in den Nacken zu stechen, vor den Augen der Wärter, spielte
     draußen keine Rolle mehr. Die Lumpen trifft kein Tadel, sie knicken nicht ein. Jetzt war es wichtig, das Essenstablett an
     beiden Seiten zu halten, nach einem freien Tisch zu spähen, das Tablett auf den Tisch zu stellen und sich hinzusetzen.
    Er war mein großer Bruder, wir hatten dieselbe Mutter, ich wollte heute auf ihn aufpassen. Ein leichtes Frühstück, zwei warme
     Mahlzeiten: Wenn er sich täglich daran hielt und sonst in Bewegung blieb, würde er in kurzer Zeit abnehmen und mußte sich
     nicht länger dafür schämen, daß man ihn für einen Schlosser oder Hausmeister hielt. Er schlang das Essen,natürlich, die jahrelange Gewohnheit, ich schaute hinaus, damit er nicht glaubte, daß ich Anspruch erhob auf einen Bissen
     von seiner kleinen Portion.
    Der Wachmann blieb kurz an unserem Tisch stehen und scherzte mit mir über die Studenten, die ihre Fahrräder abschlossen und
     aber von den Hunden der jungen Asozialen angebellt wurden, sie hatten einen blinden Obdachlosen zu ihrem König gewählt, und
     der König blieb so lange König, wie er bei jedem Schluck aus der Bierflasche Prost brüllte. Fritz heißt der Kerl, sagte der
     Wachmann, Fritz, der Flitzer: Ich könnte wie Jesus die Hand auf seine Augen

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