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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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stellst du es etwas geschickter an, brichst
     bei mir ein und vergewaltigst mich. Nie im Leben, rief er, und sein Kopf hüpfte kurz von ihrem Knie – sie schwieg, er hickste
     einige Male, die Studentin und der Kroate erreichten gemeinsam den Höhepunkt. Wann bist du geboren? Achtzehnter Zwölfter Vierundsechzig,
     sagte er. Ein Schütze, stellte sie fest, Schützen gelten als untreu, schweinisch, einfallslos, gewalttätig und sehr blöd.
     Das gilt vor allem für die Schützenmänner. Da hab’ ich aber was anderes gehört, sagte er – jetzt schmerzte ihm das Ohr, und
     als er versuchte, auf die Wange abzurollen, zog sie ihn an den Haaren, sein Schmerzenslaut wurde von einem heftigen Hickser
     unterbrochen.
    Das war eindeutig keine Pattsituation, sie konnte mit ihm spielen, solange sie wollte, und zu allem Überfluß rief jemand von
     oben, was er denn da machte. Cora schrie zurück, er sollte bitte zum Hinterhof runtergehen und sich dann melden. Einige wenige
     Minuten später schrie ein Mann von unterhalb der Füße von Robert, er könnte ihn herunterziehen und ihm die Wirbelsäule herausbeißen,
     und da zappelte er, von großer Unruhe erfaßt, sich aus dem Fensterrahmen frei, wurde aber im Badezimmer sofort heruntergerissen
     und von der irren Frau in den Schwitzkasten genommen – sie führte ihn rüdebis zur Wohnungstür, und plötzlich ließ sie sich mit ihm fallen, sein Kopf donnerte gegen den nackten Steinboden. Cora schnellte
     hoch und schloß dem Kroaten auf, tatsächlich, da stand er, bis auf die enge Radlerhose war er nackt, und er fragte sie sogleich,
     ob sie den fremden Mann erwürgt hatte. Nein, sagte sie, er ist ohnmächtig geworden, ich glaube nicht, daß er mir Gewalt antun
     wollte … Er ging in die Hocke und fuhr mit spitzen Fingern durch das Haar des Bewußtlosen, als suchte er nach Läuseeiern,
     er fand keine blutende Platzwunde und auch sonst keinen Grund, sich länger mit ihm zu beschäftigen, und als die Frau im knielangen
     Fußballtrikot vorschlug, gemeinsam ein Glas Himbeersaft zu trinken und darüber zu beraten, was man tun sollte mit dem liegenden
     Mann, der nicht die ganze Nacht dort im Flur liegen durfte … als sie ihm auch noch einen Morgenmantel anbot, hielt Mladen
     inne: Er fror nicht, und er mißtraute Frauen, die ihn in andere Kleidungsstücke stecken wollten, als die, die er trug, er
     hätte vorhin auf den Container steigen und seine Drohung wahr machen sollen. Mladen lehnte Himbeersaft und Morgenmantel ab,
     statt eine nach jedem Schluck in denselben Traum verrutschende Frau anzustarren, machte er kehrt, zog den träumenden Einbrecher
     an beiden Handgelenken in die Küche und setzte sich vorsichtshalber auf den Boden, ein kleiner Stoß oder ein härterer Schlag
     würde den Kerl besänftigen. Sie warteten schweigend, bis er endlich aufwachte, und sie waren überrascht, daß er sagte, gut,
     er hätte verstanden, und bevor die Polizei käme, würde er doch gerne auch Saft trinken.
     
    Blutfest in den Innenstädten, Townships für Topverdiener: Wir ziehen nicht ab, wir vergelten es ihnen mit gleicher Münze,
     wir sehen uns im Mauerpark und auf der Straße! Der beidseitig bedruckte Handzettel war an den Rändern mit Totenköpfen versehen,
     auf der Rückseite ordneten sich Tintenkleckse zu Konturen eines großen weißen Sterns, in dessenMitte eine schwarzbehandschuhte Hand eingelassen war. Wer auch immer dieses Flugblatt entworfen hatte, wußte um das Unvermeidliche
     – die einen werden verdrängt, die anderen rücken nach, und sie haben das Geld, die verwohnten Höhlen auszumisten, in diesen
     Räumen wurde früher über das Grundrecht debattiert, schlampig sein zu dürfen, denn wurden nicht überall die alten Obdachlosen
     von jungen Hauptschülern angegriffen, denn wurde nicht überall, im Elternhaus, in der Schule und in anderen Erziehungsanstalten,
     Sauberkeit gelehrt: So wie man Saatgut in Reihen säte, so erzog man die Kleinen zu Knilchen, und wer herausbrach, tat dies
     mit einer neu erwachten Liebe zu Fett, Schmutz und Unrat. Über die vermögenden Anwohner ließ sich vieles sagen, aber es war
     so falsch nicht, die Widerstandslosungen zu übertünchen, man zieht doch nicht in ein Heim ein, um sich zu verstecken.
    Lärm und Lüsternheit. Mein Meister fluchte oft über die Liederlichen, die Bürgerwohnungen bezogen, sie quetschten ihre Füße
     in schwarze Soldatenstiefel, weil die Mode es vorgab. Und weil sie in die Hocke gingen, um kleine fremde Hunde zu

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