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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Zweifel«, erklärte er großmütig. »Ich hätte mir vermutlich auch nicht geglaubt.«
    Ein breitschultriger Mann mit langen blonden Haaren und Stirnglatze trat in die Halle. »Das Dach ist einigermaßen dicht, Lady Matilda, wir haben … Oh, bei St. Wulfstans Ohren! Mylord! Du bist wieder da!«
    Er würdigte die Gefährten, die doch auf jedem Jahrmarkt für Aufsehen gesorgt hätten, nicht einmal eines Blickes, sondern hastete um die Tafel herum, ergriff Losian bei den Oberarmen und sah ihm strahlend ins Gesicht. »Wo bist du nur gewesen? Wir hatten kaum noch Hoffnung, dass du heimkehrst. Nur sie.« Er ruckte das Kinn diskret in Matildas Richtung. »Sie hat nie aufgehört, an deine Rückkehr zu glauben. Was für eine Freude! Ich kann’s einfach nicht fassen! Wieso … Ich meine, was …«
    Er schien ein redseliger Mann zu sein, doch Losians beharrliches Schweigen und seine finstere Miene brachten ihn ins Stocken.
    »Er hat sein Gedächtnis verloren, Guillaume«, erklärte Matilda. Simon war nicht sicher, aber er argwöhnte, er höre einen Hauch von Ungeduld in ihrer Stimme. So als behindere Losians Gebrechen ihre Pläne. Als hätte der Schmied, der ihren Gaul beschlagen sollte, sich die Hand gebrochen. »Alan, dies ist Guillaume FitzNigel, dein Steward. Guillaume, dies sind Alans Reisegefährten. Nimm dich ihrer an, sei so gut. Sie brauchen etwas Heißes, und sicher sind sie hungrig.«
    Der Steward streifte die Gemeinschaft mit einem Blick, der wenig Enthusiasmus verriet, nickte jedoch bereitwillig. »Natürlich.«
    »Du kommst mit mir, Alan, und du ebenfalls, Henry«, beschied die alte Dame, stand auf und wandte sich zur Tür. Sie sah sich nicht einmal um, so sicher war sie, dass sie folgen würden.
    Henry fügte sich anstandslos. Losian indessen liebäugelte offenbar damit, sich zu verweigern. Simon sah das genau. Er schüttelte den Kopf und drängte leise: »Geh lieber. Bevor hier dutzendweise Leute auftauchen, die mehr über dich wissen als du. Ich kümmere mich um alles, sei unbesorgt.«
    Losians Blick glitt zur Tür. Er wirkte gehetzt. Mit einer Geste in Regys Richtung antwortete er: »Frag, ob sie hier ein Verlies haben.«
    »Oh, vielen Dank auch, alter Knabe«, knurrte Regy.
    Simon nickte. »Wie gesagt. Ich kümmere mich um alles.«
    Das Obergeschoss der Burg war durch einen zugigen Korridor in zwei Hälften zerschnitten. Fackeln flackerten und qualmten in eisernen Wandhaltern, und hier und da unterbrachen hölzerne Türen die dicken Mauern. Die Fackeln hatten fächerförmige Rußflecken auf die Steine gemalt, doch ansonsten wirkte alles sauber und frisch, die dunkel gebeizten Türen waren noch nicht ausgeblichen, und diejenigen, die abschließbar waren, hatten glänzende Riegel und Schlösser.
    »Diese Burg ist noch neu«, bemerkte Henry, während sie Matilda ein Stück den Korridor entlang folgten. »Wer hat sie gebaut?«
    Sie nickte zu ihrem Enkel hinüber. »Er.«
    Losian zuckte zusammen und betrachtete die Wände mit einem Mal voller Argwohn, so als würden sie einstürzen und ihn begraben, wenn er sich nicht vorsah.
    »Wir haben Richtfest gefeiert, drei Wochen bevor du verschwunden bist«, fügte seine Großmutter hinzu.
    »Falls ich tatsächlich der bin, für den Ihr mich haltet, Madame.«
    »Oh, mach dich nicht lächerlich!«, fuhr sie ihn an. »Deine kleinen Zehen sind verkümmert, genau wie meine. Das haben wir von meiner Mutter geerbt. Und auf der rechten Brust trägst du eine Narbe in Form einer Sichel. Überzeugt dich das?«
    Er war stehen geblieben und starrte sie an. Es erschütterte ihn, dass diese Fremde solch intime Details seiner Physiognomie kannte. Es war ihm peinlich. Vor allem erschütterte ihn, dass ihm nun nichts anderes übrig blieb, als ihr zu glauben. Er hatte immer angenommen, er werde vor Seligkeit jubilieren, wenn ihn jemand erkannte und ihm verriet, wer er war. Aber das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich hundeelend, und er fürchtete sich vor dieser Frau, diesem Ort und seinen Menschen, die Gott weiß was über ihn wussten und von ihm erwarten mochten. Doch er verbarg seinen Schrecken und antwortete scheinbar gelassen: »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.«
    »Hm.« Es war ein kurzer Laut der Befriedigung. »Die Narbe stammt von einer Wunde, die du bei der Schlacht von Lincoln davongetragen hast. Es war eine schlimme Verletzung. Gloucester schickte mir einen Boten, so ernst war es.«
    »Wer?«
    »Earl Robert of Gloucester«, antwortete Henry, und man konnte hören,

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