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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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dass der Name ihm Respekt einflößte. »Er ist unser …«
    »Vergib mir, wenn ich dich unterbreche, Henry, aber ich glaube, diese Erklärungen sollten wir noch ein wenig aufschieben«, sagte sie.
    »Aber Madame, denkt Ihr nicht, Losian hat ein Recht zu erfahren …«
    »Sein Name ist Alan.« Ihre Stimme war scharf. »So und nicht anders wirst du ihn von nun an nennen. Das gilt auch für jeden eurer Gefährten.«
    »Bei allem Respekt, Madame«, entgegnete ihr Enkel. »Ich glaube kaum, dass es Euch ansteht, Henry oder meinen übrigen Gefährten Vorschriften zu machen.«
    »Da hast du völlig recht, mein Junge. Aber das ist nun einmal dein Name, also solltest du ihn auch führen. Ich merke, dass all das dir viel zu schnell geht und der Name dich mit Unbehagen erfüllt, doch das ändert nichts an den Tatsachen. Und sei beruhigt. Bevor du ihn vergessen hast, hast du diesen Namen mit Stolz getragen.«
    »Das beruhigt mich nicht die Spur«, eröffnete er ihr verdrossen. »Denn ich habe den Verdacht, der Mann, der ich einmal war, und der, der ich heute bin, wären niemals stolz auf dieselben Dinge.«
    »Du magst ihn nicht sonderlich, diesen Alan of Helmsby, nein?«, erkundigte sie sich.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn kaum. Aber wenn ich gelegentlich einen Blick auf ihn erhasche, widert er mich an.«
    »Das hat er nicht verdient. Der Mann, der du einmal warst, war vielleicht manchmal ein bisschen zu stolz, mag sein. Womöglich gar auf die falschen Dinge. Aber du hast keinen Grund, dich vor ihm zu fürchten.«
    Das Gleiche hatte Edivia zu ihm gesagt, entsann er sich. Aber er konnte den Worten der alten Frau ebenso wenig trauen wie den ihren. Was wussten sie schon? Was wusste ein Mensch überhaupt je wirklich über einen anderen?
    Matilda wies auf eine Tür zur Rechten. »Tritt ein, Henry. Es ist unsere vornehmste Kammer. Eigentlich Alans, aber da er sie vergessen hat, wird er sie nicht vermissen.«
    »Madame …«, begann der junge Franzose, doch sie wischte seinen Einwand mit einem eleganten Wink fort. »Sie gebührt dir als unserem Ehrengast. So ist es Sitte, das weißt du so gut wie ich, also erspar uns das Getue. Du wirst alles zu deiner Bequemlichkeit finden. Guillaume wird dir trockene Kleider und ein anständiges Abendessen bringen lassen. Ich weiß, dass du vor Ungeduld brennst und Pläne machen musst. Doch ich hoffe, du gestehst mir zu, den Abend allein in der Gesellschaft meines Enkels zu verbringen. Es ist nur zu deinem Besten. Je eher er sich daran erinnert, wer er ist, desto größer sind deine Chancen, König von England zu werden.«
    Besagter Enkel verspürte ein Durchsacken in der Magengegend, als hätte er eine Stufe übersehen. »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«, verlangte er zu wissen, zu verwirrt und erschrocken, um sich darum zu scheren, wie er in Gegenwart einer Dame redete.
    Matilda, die selber fluchen konnte wie ein Fischweib, nahm seine Hand und führte ihn eine Tür weiter. »Eins nach dem anderen, mein Junge. Eins nach dem anderen.«
    Nachdem er gegessen hatte, fühlte er sich besser. Eine Magd war gekommen, hatte ihm Bier und Eintopf und Brot gebracht und gesagt: »Willkommen daheim, Lord Alan. Wir sind ja alle so froh, dass Ihr endlich wieder da seid. Das ganze Gesinde, meine ich.« Sie sprach ohne Scheu.
    »Danke, Emma«, hatte Matilda geistesgegenwärtig gesagt, sodass ihm die Blöße erspart blieb und er antworten konnte: »Gut von dir, Emma. Hab vielen Dank.«
    Sie war verschwunden, und seine Großmutter hatte ihn zufriedengelassen, während er sein Mahl mit Heißhunger vertilgte und sich verstohlen umsah. Ein Bett mit Baldachin und Vorhängen aus schlichter, rotbraun gefärbter Wolle. Ein solider Holztisch mit zwei Schemeln. Große, gewebte Teppiche an den Wänden – nicht übermäßig hübsch, aber sie verströmten beinah so etwas wie Behaglichkeit. Ein Kruzifix an der Wand neben dem Fenster, welches mit einem Holzladen gegen Sturm und Regen verschlossen worden war, eine Kerze in einem einfachen Zinnleuchter auf dem Tisch. Seine Großmutter, schloss er, war keine Frau, die großen Wert auf Luxus und Zierrat legte.
    Eine Kohlenpfanne stand neben seinem Schemel. Wohlige Wärme stieg davon auf, und ganz allmählich trocknete er. Das Zittern seiner Hände ließ nach, wenngleich es wenig mit der Kälte zu tun gehabt hatte.
    Schließlich legte er den Löffel in die leere Schale und sagte: »Meine Heimkehr muss eine schwere Enttäuschung für dich sein, Großmutter. Es tut mir

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