Hiobs Brüder
der ihm die bittere Medizin versüßen sollte. Sie kam ihm vor wie eine tückische Spinne, die in ihrem Netz auf ihn lauerte, obwohl sie vermutlich gar nichts dafürkonnte.
»Sie hat so lange auf mich gewartet, da wird es auf eine Nacht mehr oder weniger kaum ankommen«, sagte er.
»Erwarte nicht, dass ich das verstehe.«
»Und ich dachte, du bist ein heiliger Mann, King Edmund.«
»Auch Heilige haben Augen.«
»Und sündige Gedanken, wie es scheint.«
»Du bist derjenige, der sündige Gedanken hat«, entgegnete King Edmund, mit einem Mal sehr streng. »Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, warum du deine Gemahlin meidest. Aber du musst dir dieses jüdische Mädchen aus dem Kopf schlagen. Das gilt jetzt mehr denn je, da du herausgefunden hast, dass du ein verheirateter Mann bist. Das weißt du doch, nicht wahr?«
Alan regte sich rastlos. »Nimm’s mir nicht übel, King Edmund, aber ich war hergekommen, um ein bisschen Frieden zu finden. Nicht um Ermahnungen zu lauschen. Darum fürchte ich, einer von uns beiden muss jetzt gehen.«
»Dann lass dich nicht aufhalten«, erwiderte der Heilige verschnupft. » Ich bleibe.«
»Großartig«, grollte Alan und stand auf. »Und so finde ich mich auch noch von meiner letzten Zufluchtsstätte vertrieben …«
»Schräg gegenüber der Kirche steht ein Haus mit einem blühenden Apfelbaum vor der Tür. Dort wohnt Emmas Mutter. Oswald ist bei ihr. Vielleicht versuchst du’s da mal.«
Alan tat, womit King Edmund vermutlich nie gerechnet hätte: Er befolgte den Rat. Weil er einfach nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte. Außer vielleicht in den Pferdestall der Burg, um sich heimlich einen Gaul zu satteln und aus Helmsby zu verschwinden …
Er klopfte an die Tür des Hauses mit dem Apfelbaum, und eine energische Stimme rief: »Was sind das für seltsame Sitten? Komm rein, wenn du nicht der Wilde Hirte bist.«
Alan zog die Tür auf und trat mit einem Lächeln über die Schwelle.
»Oh, tut mir leid, Mylord«, entschuldigte sich Emmas Mutter, aber sie war nicht erschrocken. Und auch nicht überrascht, stellte er fest.
Oswald wandte den Kopf. »Losian! Komm her und schau. Ich hab schon zweimal gewonnen!« Seine Augen leuchteten.
Alan trat näher und warf einen Blick über Oswalds Schulter. Es war ein Brettspiel, das wie eine vereinfachte Form von Mühle aussah.
»Das hat unser Gorm auch immer so gern gespielt«, bemerkte ihre Gastgeberin. »Und er war genauso gerissen beim Spiel wie Euer Oswald hier.«
Alan fuhr Oswald über den Schopf. »Gerissen, he? Ich hab’s ja immer gewusst, dass du es faustdick hinter den Ohren hast …«
Oswald lachte, und Alan ging auf, dass er ihn seit Wochen nicht so unbeschwert gesehen hatte. Das hatte ihm gefehlt, stellte er fest. Wenn Oswald glücklich war, dann hatte das eine solche Strahlkraft, dass es jeden wärmte und tröstete, der es sah.
»Wollt Ihr Euch setzen, Mylord? Kann ich Euch einen Schluck Bier anbieten? Einen Bissen Brot vielleicht?« Sie musste beinah so alt wie seine Großmutter sein, schätzte er. Das Gesicht war runzelig wie ein Winterapfel, das Haar unter dem wollenen Tuch eisgrau, die Hände gekrümmt. Ein einziger Schneidezahn war alles, was ihr geblieben war, und er machte ihr Lächeln ebenso liebenswert wie schelmisch.
»Gern«, antwortete er. »Ich fürchte, ich habe deinen Namen vergessen.«
Sie nickte. »So wie den Euren, nicht wahr?« Sie zeigte auf Oswald. »Ich habe ihn gefragt, warum er Euch Losian nennt, und er hat es mir erklärt.«
»Tja.« Alan nahm es gelassen. »Ich hatte nie große Hoffnungen, dass es sich lange geheim halten lässt.«
»Mein Name ist Gunnild.« Sie erhob sich von der Bank am Feuer, holte Brot aus einem irdenen Topf und goss Bier in einen Holzbecher. Die Gaben brachte sie zum Tisch und nickte Alan zu. »Setzt Euch.«
Er rutschte neben ihr auf die Bank. »Hab Dank, Gunnild.« Er trank einen kleinen Schluck und wies mit der freien Hand auf das grob gezimmerte Spielbrett. »Erklär mir die Regeln.«
»Wie Mühle, aber man darf keine Zwickmühlen bauen.«
»Spielst du mal mit mir, Losian?«
»Wenn es Gunnild nicht stört.«
Sie lächelte. »Im Gegenteil. Holt mir meinen Rocken, seid so gut. Dann kann ich spinnen und dabei zuschauen, wie Ihr untergeht.«
Er entdeckte das Spinnzeug in einem flachen Korb auf dem festgestampften Lehmboden, stand auf und holte ihn herbei, während Oswald das Brett in die Tischmitte rückte und die Spielsteine sortierte.
»Es ist besser, die
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