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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wenn er Glück hatte. Was ihn danach wärmen und kleiden sollte, wusste er nicht.
    »Warum bist du so?«, fragte der Junge nach einem kurzen Schweigen. »Wie kommt es, dass du dich für die Menschen hier verantwortlich fühlst?«
    »Wer behauptet das?«, gab Losian zurück. Abweisend, wie er hoffte.
    »Ich habe Augen und Ohren.«
    »Dann sei dankbar, denn die hat nicht jeder.«
    »Du sorgst hier für Ordnung. Du hast für jeden ein offenes Ohr. Eine Engelsgeduld mit den Schwachsinnigen. Und du hast dafür gesorgt, dass Regy …«
    »Was immer ich hier tue, tu ich für mich«, fiel Losian ihm schneidend ins Wort. »Und wenn du nun so gut sein willst: Ich würde meine Wäsche gern fortsetzen, und wenn ich die Hosen ausziehe, bin ich lieber allein.«
    »Ich wette, du warst ein guter Soldat dort drüben in Outremer . Und ein guter Anführer.«
    Ich wünschte, ich könnte das glauben, dachte Losian, beschränkte sich aber darauf, den Jungen abwartend anzuschauen.
    Simon wandte sich ohne Eile zur Tür.
    »Sag King Edmund, dass ich nicht zum Essen komme. Es dauert mindestens bis morgen, eh meine Sachen trocken sind.«
    »Soll ich dir etwas bringen?«
    »Du sollst mich zufriedenlassen, Bengel«, knurrte Losian.
    Simon nickte. »Wie Ihr wünscht, Mylord.«
    Losian hatte bereits den Fuß auf die Holzkiste gestellt und die Hände gehoben, um die gekreuzten Bänder zu lösen, die seine Wade bis zum Knie umwickelten. Doch nun ließ er sie sinken, als habe er vergessen, was er hatte tun wollen, und starrte dem Jungen mit verengten Augen nach.
    Der bedauernswerte Griff starb an einem kühlen, nebligen Morgen, der den ersten Hauch von Frühling mit sich brachte. King Edmund behauptete, es sei der erste März. Simon war keineswegs sicher, ob das stimmte, aber er widersprach nicht. Ihm war nicht entgangen, dass King Edmund keine großen Sympathien für ihn hegte. Vielleicht nahm er übel, dass Simon seinen geistlichen Beistand ablehnte. Genau wie alle anderen hörte er täglich in der Ruine der Burgkapelle die Messe, aber er brachte es nicht fertig, Rat oder Absolution von einem Narren zu erbitten, der sich für einen toten Märtyrerkönig hielt.
    »Also dann, lasst uns gehen«, sagte Godric bedrückt. »Wir wollen den armen Griff nicht warten lassen.«
    »Und deine Decke holen, bevor Luke sie sich unter den Nagel reißt«, fügte Wulfric an Simon gewandt hinzu.
    Simon ertappte sich dabei, dass die Aussicht auf diese Decke, die vermutlich von Ungeziefer wimmelte und vor Dreck stand, ihn mit freudiger Erregung erfüllte. Mochten die anderen auch behaupten, das Schlimmste sei für diesen Winter überstanden, hatte er doch jede Nacht erbärmlich gefroren, ganz gleich, wie fest er sich in seinen feinen Mantel wickelte. Er hatte sich indessen nicht beklagt. Er hatte sich wieder und wieder eingeschärft, hart gegen sich selbst zu sein, damit er hier überleben konnte. Es war das erste Mal, dass Simon de Clare Bekanntschaft mit bitterer Armut machte, und an manchen Tagen erfüllte es ihn mit einem hilflosen Zorn, dass die heiligen Brüder von St. Pancras ihnen nie genug zu essen brachten und kaum ausreichendes Brennholz zugestanden, um wenigsten den Herd im Küchenhaus für ein paar Stunden am Tag zu heizen. Aber Simon wollte seinem Vater keine Schande machen, indem er zuließ, dass seine Gefährten ihn für schwach und weichlich hielten. Darum ließ er sich seinen Zorn niemals anmerken und gestattete sich stattdessen, dankbar für die Decke zu sein – falls er sie denn wirklich bekam.
    Sie verließen die Schmiede, überquerten den Hof Richtung Kapelle und machten einen Abstecher an Griffs und Wulfstans Hütte vorbei. Simon hatte Glück. Luke war zwar tatsächlich schon vor ihnen hergekommen, aber er hockte in der Ecke neben der Tür am Boden, in einer Hand Griffs Schuhe, die andere mit gespreizten Fingern vor seinen Bauch gepresst. Mit schreckensstarren Augen schaute er zu den Zwillingen auf. »Sie ist aufgewacht. O Jesus, hilf mir, sie ist aufgewacht …« Tränen rannen über seine apfelroten Wangen.
    »Wir sind ganz leise«, versprach Godric flüsternd.
    Luke wandte den Kopf ab und unterdrückte ein Schluchzen. Es war unübersehbar, dass er Todesängste ausstand.
    Auf Zehenspitzen schlichen die Zwillinge zu dem verwaisten Strohlager, Godric hob die löchrige Decke auf, faltete sie zusammen und überreichte sie Simon.
    Luke schien es nicht einmal zu bemerken. Er hatte die Augen zugekniffen und betete tonlos.
    Simon hängte sich die Decke

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