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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mehr Mut, als wahrscheinlich gesund für ihn ist, und für einen so jungen Kerl ist er sehr gefährlich mit dem Schwert. Ihn dürstet nach großen Taten. Sollte es möglich sein, dass ein Mann zum König geboren ist, dann, würde ich sagen, trifft es auf ihn zu.«
    »Wieso habe ich das Gefühl, es gibt ein Aber?«
    Alan deutete ein Achselzucken an. »Kein Mann ist vollkommen, nicht wahr? Es war vermutlich dumm von mir, zu erwarten, dass er alles hält, was er verspricht. Aber ich wäre geneigt gewesen, ihm zu folgen, wenn nötig bis an den Schlund der Hölle. Dabei ist er noch ein Bengel, aber dennoch war es so. Bis zu dem Tag, als ich ihn mit meiner Frau im Heu erwischt habe.«
    Der Earl of Gloucester zog scharf die Luft durch die Zähne ein und lehnte den Oberkörper ein wenig zurück, als wolle er sich von dieser Eröffnung körperlich distanzieren. »Mit Susanna ? Jesus … Ich habe fast Mühe, das zu glauben.« Er war bestürzt. »Und du solltest mir das nicht erzählen, Alan.«
    »Warum nicht? Weil es sich nicht gehört? Weil es mich erniedrigt?« Alan winkte desinteressiert ab. »Genau betrachtet hat sie mir einen Gefallen getan. Ich werde beim Bischof eine Petition einreichen, die Ehe für ungültig zu erklären, weil wir zu nah verwandt sind. Mit ihrer Untreue erspart sie mir ein schlechtes Gewissen wegen der Scheidung. Sie hat mich nicht sonderlich gekränkt, denn meine Frau zählt bedauerlicherweise auch zu den Dingen in meinem Leben, die mir nichts mehr bedeuten. Aber mit Henry lag die Sache anders. Ich war grenzenlos enttäuscht von ihm. Und wütend, weil er das Ideal zerstört hat, das ich mir von ihm gemacht hatte. Doch ich habe ihm verdächtig schnell verziehen. Und ich glaube, das ist das Gefährliche an ihm: Er ist ein Filou, der glaubt, dass für ihn nicht dieselben Regeln gelten wie für andere, weil er so … außergewöhnlich ist. Und aufgrund seiner Persönlichkeit wird jeder ihm bereitwillig vergeben, wenn er über die Stränge schlägt, weswegen er es jedes Mal tun wird, wenn ihm der Sinn danach steht. Weil er weiß, dass er immer damit durchkommt.«
    »Und welche Schlüsse ziehst du aus alldem? Lohnt es sich, um seinetwillen unsere Kräfte noch einmal zu sammeln und ihm den Weg auf den Thron zu ebnen? Oder würden wir einem selbstverliebten Tyrannen die Krone aufs Haupt setzen?«
    Alan schüttelte den Kopf. »Er würde uns gewiss oft schockieren, aber er wäre niemals ein Tyrann, denn er hat ein ausgeprägtes Gefühl für Recht und Unrecht, und er ist in der Lage, auf einen Rat zu hören, selbst wenn der ihm unbequem ist.« Er überlegte einen Augenblick. Dann sah er seinem Onkel in die Augen. »Ja. Ich denke, er ist es wert. Wir haben England mit diesem langen Krieg beinah zugrunde gerichtet; es braucht jemanden mit viel Tatkraft, um es wieder zur Blüte zu bringen. Und wenn es eines gibt, das Henry Plantagenet im Übermaß besitzt – außer Selbstbewusstsein, meine ich –, dann ist es Tatkraft.«
    Alan blieb einen Monat in Bristol. Er suchte und fand lose Fäden und bemühte sich, sie mit dem, was jetzt sein Leben war, zu verknüpfen.
    Als er am ersten Abend die große, prächtige Halle betreten hatte, bereiteten die dort versammelten Lords, Ritter und Knappen ihm einen jubelnden Empfang. Sie trommelten mit den Bechern auf die langen Tische und riefen seinen Namen, standen von den Bänken auf und applaudierten und ließen ihn hochleben. Und Alan stand unter der zweiflügeligen Tür, starr vor Schreck und vollauf damit beschäftigt, nicht die Flucht zu ergreifen.
    Dann umringten sie ihn, zogen ihn in ihre Mitte und bestürmten ihn mit Fragen. Alan begrüßte sie, dankbar für jeden Namen, der ihm einfiel, und antwortete höflich, höflich, immer höflich.
    Sein altes Leben erschien ihm wie ein Haus, das man nach langer Abwesenheit wieder betritt und das einem verändert vorkommt. Die Möbel bekannt, aber eingestaubt, die Luft abgestanden, die einstmals vertrauten Räume sonderbar fremd und klein. Dieses Haus, merkte er bald, war nicht mehr das seine, und er fing an zu argwöhnen, die Balken könnten morsch sein und das Dach einfach über ihm einstürzen.
    Die Männer, die ihn so stürmisch empfangen hatten, merkten bald, wie verändert er war, und voller Verwirrung gingen sie auf Distanz. Nicht wenige waren gekränkt, wusste er, weil sie seine Zurückhaltung für Desinteresse und Hochmut hielten. Als zähle für ihn auf einmal nicht mehr, was sie alles zusammen erlebt, gewagt, durchlitten

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