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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zu dir?«
    »Nein.«
    Simon blieb stehen. »Sieh mich an, Oswald.«
    Oswald schaute folgsam auf. »Egbert immer gut«, beteuerte er.
    »Also schön.« Simon war geneigt, ihm zu glauben. »Dann wirst du jetzt hingehen und dich entschuldigen. Und ab morgen gehst du regelmäßig und pünktlich zur Arbeit. Hast du verstanden?«
    Oswald sah ihn unglücklich an. »Mitkomm’«, bat er.
    Simon konnte sich schon vorstellen, dass Oswald bei dem Gedanken an den zu Recht erzürnten Müller nicht wohl in seiner Haut war. Obendrein war er dank seines Rückfalls in die Ein-Wort-Sätze, den sie Alans plötzlichem Verschwinden zu verdanken hatten, kaum in der Lage, eine Ausrede vorzubringen.
    »Luke kann mit dir gehen«, schlug Simon vor. »Der Müller hat ihn sehr ins Herz geschlossen, seit er Lukes Bier probiert hat. Was sagst du, Luke?«
    »Einverstanden.« Der alte Mann zwinkerte Oswald zu. »Komm mit, Söhnchen. Das bringen wir im Handumdrehen in Ordnung.«
    Godric, Wulfric und Simon sahen ihnen nach.
    »Und seid ihr immer noch der Ansicht, wir könnten einfach so aus Helmsby verschwinden und die anderen ihrem Schicksal überlassen?«, fragte Simon die Zwillinge.
    »Keine Ahnung«, bekannte Wulfric.
    »Eins ist jedenfalls sicher«, fügte sein Bruder hinzu. »Haimon würde uns keine Träne nachweinen.«
    »Ein Grund mehr, hierzubleiben«, befand Simon.
    »Oder ein Grund mehr, zu gehen. Und zwar mit allen Gefährten. Haimon hat es auf Helmsby abgesehen, falls dir das nicht klar ist. Und weder der Steward noch die alte Dame werden auf Dauer verhindern können, dass er es bekommt, wenn Alan nicht rechtzeitig zurückkehrt. Denn die Bauern haben eine Todesangst vor Haimon und werden im Zweifel tun, was er befiehlt, nicht Guillaume. Haimon müsste nur ein paar Halunken anheuern – die es ja heutzutage so zahlreich zu finden gibt –, und er könnte Helmsby im Handstreich nehmen. So wie diese de-Laigle-Brüder es mit deinem Woodknoll getan haben.«
    »Du willst sagen, wir sollen vor Haimon davonlaufen?«, fragte Simon entrüstet.
    Godric hob gleichmütig die Schultern. »Vielleicht. Solange wir noch können.«

Bristol, Juni 1147
    »Alan of Helmsby, Mylord«, meldete die Wache und hielt ihm die Tür auf. Es war eine respektvolle Geste, aber der Wachsoldat gab sich keine Mühe, ein breites Lächeln zu unterdrücken, und seine Augen leuchten, als er Alan ansah.
    Mick Butcher aus Mansfield in Devon , vermeldete Alans Gedächtnis. Ein unverbesserlicher Raufbold und Soldat mit Leib und Seele .
    Doch Alan blieb nicht stehen, um ihn zu begrüßen, sondern ging an ihm vorbei und betrat das Gemach im Obergeschoss des gewaltigen Bergfrieds.
    Der Raum war trotz des hellen Sommersonnenscheins draußen dämmrig. Als Alans Augen sich darauf eingestellt hatten, entdeckte er eine hochgewachsene Gestalt, die mit dem Rücken zum kalten Kamin stand – eigentümlich reglos.
    Alan wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte. Dann trat er näher und verneigte sich. »Mylord.«
    Der Earl of Gloucester sah ihn einen Moment schweigend an, machte einen Schritt auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. »Willkommen, mein Junge. Zur Abwechslung hat Gott einmal eines meiner Gebete erhört.«
    Er ließ ihn los, und sie musterten einander mit der verstohlenen Neugier, mit welcher man einen vertrauten Freund nach langer Trennung anschaut.
    Alt, dachte Alan. Er ist ein alter Mann geworden. Die Erkenntnis erschütterte ihn. Und sie machte ihm Angst. »Ich hoffe, Ihr seid wohl, Mylord?«
    Gloucester zog die buschigen, ergrauten Brauen in die Höhe. »So förmlich? Sollte es möglich sein, dass du mir immer noch übel nimmst, was ich zu dir gesagt habe? Nach all der Zeit?«
    »Ich bin nicht sicher«, bekannte Alan.
    Die Erinnerung war noch unvollständig. Gloucester hatte ihn getadelt, und zwar mit deutlichen Worten und vor Zeugen. Er hatte ihn ordentlich zurechtgestutzt. Und Alan erinnerte sich an seine Wut. Himmelschreiend ungerecht war die öffentliche Rüge ihm erschienen. Wenn du das je wieder tust, wirst du aus meinen Diensten scheiden müssen … Aber er wusste nicht mehr, was der Anlass gewesen war. Was genau er verbrochen hatte. Und er war nicht versessen darauf, es zu erfahren. Was er hingegen wusste, war, dass er danach unerlaubt von Gloucesters Hof verschwunden war.
    »Werdet Ihr mich einsperren, weil ich desertiert bin?«, erkundigte er sich.
    Gloucester lachte leise vor sich hin. Alan erinnerte sich an dieses Lachen; es war ein angenehmer, warmer Laut,

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