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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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so wunderbare Dinge für dich ausgedacht.«
    »Wirklich? Oder wolltest du in jemandes Fußstapfen treten? Der Tradition eines Mannes folgen, der dafür berüchtigt war, dass er seine Feinde einen Tag und eine Nacht lang sterben ließ?«
    »Ich weiß nicht, von wem du redest.«
    »Du hast mir von deinem Onkel Geoff erzählt.«
    Regy blinzelte fast unmerklich und wandte den Kopf ab, bis die wirre Haarflut sein Gesicht bedeckte. »Und ich dachte, du hast gesagt, du willst es nicht hören.«
    »Er hat dich im Dunkeln eingesperrt, und dann sind er und seine Freunde gekommen und haben sich an dir vergangen. Richtig?«
    Regy schwieg.
    »Wie alt warst du?«
    »Elf.«
    »Sieh mich an.«
    »Nein.«
    »Komm schon.«
    »Geh weg, Alan. Ich habe heute wirklich keine Lust, dir mein Herz auszuschütten. Ein andermal vielleicht, Augenstern, aber heute …«
    »War sein Name Geoffrey de Mandeville?«
    Regy zuckte zusammen und verstummte. Eine Weile rührte er sich nicht, nur sein magerer Brustkorb hob und senkte sich sichtbar, schneller als gewöhnlich. Als er sich endlich entschloss, Alan wieder anzuschauen, war sein Gesicht wie eine Maske, in die ein liebenswürdiges, unverbindliches Lächeln gemeißelt war. »Wie überaus scharfsinnig Ihr doch seid, Mylord.«
    »Wie kam es, dass du ihm in die Hände gefallen bist?«
    »Er ist der Bruder meiner Mutter. Sie starb. Mein Vater war schon lange tot. Also nahm mein Onkel Geoff mich auf. Damals war er noch der pflichterfüllte Ritter in König Henrys Diensten, und niemand ahnte, was für ein Ungeheuer er ist. Das kam erst später. Als er sich … offenbart hat.«
    »Er ist tot, Reginald«, sagte Alan.
    »Tatsächlich?«
    »Hm.«
    Für ein paar Atemzüge blieb die schauerliche Maske noch intakt. Aber dann bröckelte sie, und für einen Moment erhaschte Alan einen Blick in solch einen Abgrund der Qual, dass er nur mit Mühe ein Schaudern unterdrückte.
    Dann zog Regy die Knie an, verschränkte die Arme und bettete den Kopf darauf. »Schon lange?«
    »Drei Jahre. Ein Pfeil erwischte ihn, als er Burwell belagerte. Er ist elend an Wundbrand krepiert.«
    »Wie nett. Und warum erzählst du mir das alles und belästigst mich mit Fragen über diese alte Geschichte?«
    »Weil er mein Verhängnis ebenso war wie deins. Ich bin abhandengekommen, als ich auf der Jagd nach ihm war. Aber ich verstehe nicht, wie und warum genau. Ein Stück in meiner Erinnerung fehlt noch. Ich hatte gehofft … Ich weiß auch nicht.«
    »Dass ich dir irgendetwas über ihn verraten kann, das dir hilft, dein Rätsel zu lösen?«
    »Vielleicht. Ich glaube, was ich vor allem von dir hören wollte, war, dass du nicht all die Jahre gewusst hast, wer ich bin, und es mir verschwiegen hast, um kalt lächelnd zuzusehen, wie ich mit der Ödnis in meiner Seele ringe.«
    Regy hob abrupt den Kopf, und mit einem Mal war er wieder ganz der Alte. Mutwille funkelte in seinen Augen. »Und was tust du, wenn ich es dir nicht verrate?«
    Alan zuckte die Achseln. »Gar nichts, schätze ich.«
    »Oh, du Jämmerling. Nein. Ich habe nicht gewusst, wer du bist. Nachdem ich die liebevolle und fürsorgliche Gastfreundschaft meines Onkels etwa einen Monat genossen hatte, kam einer seiner Kumpane allein zu mir. Ich hab ihm den Dolch gestohlen und ihm sein bestes Stück damit abgeschnitten. Die Tür stand offen. Ich bin geflohen, habe mich zurück nach Hause durchgeschlagen und den guten Onkel Geoff nie wieder gesehen. Ich hatte immer vor, ihn eines Tages zu besuchen und mich für seine Güte erkenntlich zu zeigen, doch mein kleiner Zusammenstoß mit dem Archidiakon des Erzbischofs von York kam dazwischen. Aber eins schwör ich dir, Alan: Hätte ich gewusst, wer du bist, hätte ich es dir todsicher verschwiegen und kalt lächelnd zugesehen, wie du mit der Ödnis in deiner Seele ringst. Es hätte mir manch einsame, düstere Stunde versüßt, die ich allein dir zu verdanken hatte. Das wollen wir ja nicht vergessen, nicht wahr? Du hast mich an die Kette gelegt und aus eurer Mitte verbannt.«
    »Nachdem du Robert die Kehle durchgebissen hattest.«
    »Ach ja.« Regy lächelte eine Spur verlegen. »Das wäre mir beinah entfallen. Aber ich entsinne mich. Verschwommen zumindest. Trotzdem warst du sehr grausam zu mir, Alan«, hielt er ihm vor, und von der höhnischen Nachsicht in seiner Stimme konnte man eine Gänsehaut bekommen. »Du hast dich mir gegenüber nicht wie ein guter Christenmensch benommen, obwohl du doch so sicher warst, ein heiliger Krieger zu

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