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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Mut, Monseigneur«, sagte Simon.
    Der Mann wandte den Kopf, lächelte eine Spur kläglich und antwortete: »Ich meine, diese Planke ist entschieden zu schmal für einen Mann. Ich weiß genau, dass ich hineinfallen werde. Und seht Euch nur diese widerwärtige Brühe an.« Er schauderte, und auch wenn seine Miene Selbstironie verriet, war das Schaudern doch echt.
    »Godric, Wulfric, tut ein gutes Werk an diesem armen Reisenden und zeigt ihm, dass man selbst zu zweit unbeschadet hinüberkommt«, sagte Simon über die Schulter.
    Grinsend traten die Zwillinge näher, stellten sich seitlich zur Planke und liefen mit der ihnen eigenen mühelosen Grazie seitwärts hinauf. Leichtfüßig.
    Der Fremde in dem edlen Mantel bestaunte sie mit geöffneten Lippen. Dann straffte er die Schultern. »Also gut«, murmelte er vor sich hin. »Ich muss nach Rouen, also muss ich über diese Planke. Es hilft alles nichts …«
    Mit grimmiger Entschlossenheit setzte er den ersten Fuß auf den hölzernen Steg, dann den nächsten, den Blick fest auf sein Ziel geheftet.
    Simon folgte ihm nach wenigen Schritten und schloss auf leisen Sohlen auf. Und das erwies sich als Glücksfall. Nur noch zwei oder drei Ellen von der rettenden Bordwand entfernt, geriet der Mann ins Wanken, stieß einen halb wütenden, halb furchtsamen Laut aus, rang rudernd um Gleichgewicht und kippte dann nach links weg.
    Simon erwischte ihn am Arm und zerrte ihn mit einem Ruck zurück. Er war nicht sicher, ob er sie damit nicht zusammen auf der anderen Seite von der Planke befördert hätte, aber die Zwillinge waren zur Stelle. Wulfric umschlang Simons Taille, und Godric fasste den Fremden ein wenig zaghafter bei der Schulter. »Nur noch zwei Schritte«, sagte er ermutigend.
    Trockenen Fußes gelangten sie alle vier an Bord.
    Der Fremde tat einen Seufzer der Erleichterung. »Wenigstens dieser gefahrvolle Teil meiner Reise wäre glücklich überstanden. Dank Eurer Hilfe.« Und beinah schlagartig änderte sich sein Gebaren. Die etwas verschreckte Miene wich einem halb neugierigen, halb herausfordernden Blick, der über Schiff, Ladung und Mannschaft schweifte und dem gewiss nicht viel entging. Der Reisende hielt seine feinen Glacéhandschuhe in der Linken und ließ sie abwesend in die Rechte klatschen. »Der heilige Petrus möge uns behüten. Was für ein Seelenverkäufer …« Mit erschütternder Plötzlichkeit kehrte der Blick der scharfen blaugrauen Augen zu Simon zurück. »Ist es möglich, dass wir uns kennen?«
    »Ich glaube nicht, Monseigneur.« Simon verneigte sich. »Simon de Clare of Woodknoll.«
    »Ah. Dann muss es wohl daran liegen. Ihr de Clare seid wahrhaftig Legion.« Ehe Simon sich nach dem Sinn dieser seltsamen Worte erkundigen konnte, stellte der Mann sich vor: »Becket. Thomas Becket. Of Nirgendwo.« Der etwas zu breite Mund verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Und wer sind Eure unzertrennlichen Freunde, die uns vor einem Bad im Hafendreck bewahrt haben?«, fragte er auf Englisch.
    »Godric«, sagte Wulfric und wies auf seinen Bruder.
    »Und Wulfric«, fügte Godric hinzu und spiegelte die Geste. »Aus Gilham in Yorkshire.«
    Becket nickte liebenswürdig, betrachtete mit einem missvergnügten Stirnrunzeln die mäßig sauberen Planken, zögerte kurz und ließ sich dann nieder. »Weit weg von zu Hause«, bemerkte er.
    Simon und die Zwillinge folgten seinem Beispiel und setzten sich. Becket beobachtete die perfekt abgestimmten Bewegungen der Zwillinge mit unverhohlener Faszination. »Seid Ihr schon lange unterwegs?«, fragte er.
    »Wir sind vor drei Tagen von East Anglia aufgebrochen«, berichtete Simon. »Da Godric und Wulfric nicht reiten können, haben wir praktisch die ganze Strecke auf dem Wasser zurückgelegt: mit einem Flusskahn nach Yarmouth, von dort mit einem Fischerboot nach Dover. In Dieppe wollen wir versuchen, ein Küstenschiff zu finden, das uns bis zur Loiremündung bringt.«
    »Wo soll’s denn hingehen?« Becket streckte die eleganten Stiefel vor sich aus und lehnte sich bequem gegen einen Stapel der Ladung.
    »Wir suchen jemanden und wissen nicht genau, wo wir ihn finden werden«, antwortete Simon vorsichtig.
    »Oh. Wie geheimnisvoll.« Die blaugrauen Augen sahen ihn durchdringend an, und ein spöttischer Zug lag um den Mund, der dem Gesicht fast einen Anstrich von Grausamkeit verlieh. Es war ein auffallend gut aussehendes, hellhäutiges Gesicht, umrahmt von Haaren, die so glatt und schwarz waren wie Simons.
    »Und wie steht es mit

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