Hiobs Brüder
schloss einen Moment die Augen. »Der König hatte es mir geschenkt. Und ich war … so stolz. Aber dann hat er es vergessen, und als William … als dein Vater ihn fragte, ob er es für die Heimreise haben könne, hat der König eingewilligt. Und wieder einmal … hatte der Thronfolger gewonnen und der Bastard das Nachsehen. Ich war so zornig deswegen. Es waren bittere Worte, die ich meinem Bruder mit auf seine letzte Reise gegeben habe …«
»Quält Euch nicht damit, Mylord. Ihr wart jung. Eure Enttäuschung nur verständlich. Ihr konntet nicht wissen, was passieren würde.«
»Nein. Aber die Tatsache bleibt: Eigentlich hätte ich ertrinken sollen. Nicht er.«
»Das lag in Gottes Hand. Er hat beschlossen, ihn zu sich zu rufen und Euch hierzulassen.«
Gloucester lächelte matt. »Das war es … was ich von dir hören wollte. Denn es gilt für dich ebenso wie für mich. Es war … weder deine Schuld noch meine, sondern Gottes Plan. Vergiss das nicht.«
Alan schluckte mühsam. »Nein.«
»Ich wünschte nur, ich hätte noch erlebt, dass es ein Ende nimmt«, vertraute Gloucester ihm flüsternd an. »Dass dieses verfluchte Schiff endlich aufhört, unschuldige Menschen in den Tod zu reißen. Denn es sinkt … immer noch.«
Alan nickte.
»Ich hätte es … so gern wiedergutgemacht.«
»Ihr habt getan, was Ihr konntet.«
»Den Rest wirst du tun müssen.«
»Ihr habt mein Wort.«
Gloucester atmete tief aus. »Dann … kann ich also beruhigt an Bord gehen.« Er ließ seine Hand los.
Alan stand auf, beugte sich über den Sterbenden und küsste ihm die Stirn. »Geht mit Gott, Mylord.«
Robert of Gloucester starb am Abend des einunddreißigsten Oktober, in der Nacht vor Allerheiligen. Es sei eine gefährliche Nacht für jede Seele, die gerade erst ihre sterbliche Hülle verlassen habe, bekundete Gloucesters Sohn Roger, der Priester war, denn in dieser Nacht wanderten die Geister der Toten. Darum ordnete er an, den Verstorbenen umgehend in die Kapelle zu tragen. »Mutter ist bereits dort«, fügte er hinzu.
William nickte. »Dann sollten wir gehen und ihm die Totenwache halten. Kommst du, Alan?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Was? Wieso nicht?«, fragte William entgeistert.
Alan zögerte einen Moment zu lange und gab Roger damit Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. »Weil er exkommuniziert ist«, erklärte der junge Geistliche verächtlich.
William zog erschrocken die Luft ein und wich einen halben Schritt zurück. »Was? Oh mein Gott, Alan … Ist das wahr?«
Alan fühlte sich dumpf vor Trauer. Er wollte seine Ruhe, und mehr als alles andere sehnte er sich nach der tröstlichen Stille einer Kirche. Es machte ihm zu schaffen, dass sie ihm versagt bleiben musste, und so war dies hier das Letzte, was ihm gefehlt hatte. Er musste sich räuspern. »Es ist wahr.«
»Aber wieso?«, fragte William. »Was hast du getan?«
»Ich habe eine jüdische Frau geheiratet.«
»Oh …« Es war ein unsicherer Laut. William schien unschlüssig, was er davon halten sollte, aber seine Miene verriet, dass er das Vergehen nicht so furchtbar schwer fand.
»Und das ist nicht alles«, stellte Roger klar. »Er hat sich mit jüdischen Wucherern verschworen und den Subprior von Norwich mit der Waffe bedroht. Das wollen wir nicht vergessen, nicht wahr, Cousin? Oder willst du es leugnen?«
Alan sah ihn an, und er konnte kaum glauben, welche Feindseligkeit in den dunklen Augen stand. Roger war ein paar Jahre jünger als er und William, war ein Knirps gewesen, als Alan in den Haushalt seines Onkels gekommen war, und hatte eine große Vorliebe dafür gehabt, auf Alans Knie zu reiten …
»Stehe ich hier vor Gericht, Roger?«, fragte er kühl.
»Fürs Erste nicht. Aber ich bin sicher, der Earl of Gloucester hätte gern eine Antwort.«
Alan stieß verächtlich die Luft aus. »Gott, dein Vater ist noch nicht einmal kalt, und da kommst du daher und …«
»Er hat trotzdem recht, Alan«, fiel William ihm ins Wort – untypisch schneidend. »Ich hätte gern eine Antwort.«
Alan sah ihn an. Das hielt William nicht lange aus. Als er den Blick niederschlug, sagte Alan leise: »Es gab keine Verschwörung. Aber ich habe den Subprior mit dem Schwert bedroht, das ist richtig.«
William fragte nicht nach den Gründen. Kopfschüttelnd brachte er noch einen weiteren Schritt Abstand zwischen sie und sagte dann: »Ich fürchte, in dem Fall muss ich dich bitten, uns zu verlassen.«
»Du … du schließt mich von der Beerdigung deines
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