Hiobs Brüder
Vaters aus?«
William sah ihn unglücklich an. »Alan, ich …«
»Ja. Das tut er«, unterbrach Roger entschieden. »Es ist ein heiliger Ritus, bei dem du nichts verloren hast. Es würde das Andenken unseres Vaters besudeln, dich dort zu dulden.«
Zorn und brennende Scham drohten Alan aus der Fassung zu bringen. Er war es nicht gewohnt, sich so demütigen lassen zu müssen. Er wandte sich zur Tür. »Sagt der Kaiserin, ich steige in der Stadt im Gasthaus ab. Sie soll mir Nachricht schicken, wenn sie zurückwill«, sagte er über die Schulter.
»William wird sie zurück nach Devizes geleiten«, widersprach Roger.
Alan blieb noch einmal stehen. Ohne sich umzuwenden, gab er zurück: »William wird die Flucht ergreifen, sobald er unterwegs einen fremden Reiter sichtet, und sie ihrem Schicksal überlassen. Ich habe sie hergebracht. Ich bringe sie zurück.«
»Du wirst Bristol und meine Grafschaft auf der Stelle verlassen«, entgegnete William wütend. »Oder ich verhafte dich und sperre dich ein.«
Alan sah lächelnd über die Schulter. »Ich fürchte, das wird nicht so einfach, wie du dir vorstellst. In Bristol wird sich kaum jemand finden, der gewillt wäre, Hand an mich zu legen.«
»Sei nicht so sicher«, sagte Roger ungerührt. »Du weißt es vielleicht noch nicht, aber du wirst staunen, wie unpopulär eine Exkommunikation einen Mann machen kann, sogar einen Helden wie dich. Im Handumdrehen, Alan. Darum rate ich dir: Schick deine jüdische Frau fort und krieche auf Knien zum Bischof nach Norwich. Bereue deine Freveltaten und tu Buße. Dann nimmt er dich vielleicht wieder auf.«
Wortlos ging Alan hinaus.
Er hatte Williams Befehl so lange missachtet, wie er brauchte, um die Kaiserin ausfindig zu machen und ihr zu erklären, dass er aus Bristol verbannt sei und warum und sie entweder jetzt gleich oder gar nicht zurück nach Devizes begleiten könne. Unerwartet willigte sie ein. Es sei ohnehin zu gefährlich für sie, der Beisetzung ihres Bruders beizuwohnen, und, erklärte sie unverblümt, sie besitze auch nicht das erforderliche Maß an Mut oder Torheit, um sich dem Schutz ihres jämmerlichen Neffen William anzuvertrauen.
Es war Balsam für Alans gekränkten Stolz.
Die Nacht war kalt und windig, aber trocken, und ein halber Mond erhellte ihren Weg. Die Kaiserin zeigte sich ungewohnt huldvoll. Offenbar war sie ihm tatsächlich dankbar, dass er ihr ermöglicht hatte, sich von ihrem Bruder zu verabschieden. Sie sprachen indessen nicht viel. Alan hielt Augen und Ohren offen, denn das Mondlicht machte ihren Ritt riskant. Aber nichts rührte sich, kein Mensch begegnete ihnen, und die Geister behelligten sie auch nicht, sodass er Maud bei Tagesanbruch sicher am Torhaus abliefern konnte.
Als sie über die Zugbrücke ritten, drehte sie sich im Sattel um und schaute zurück. »Ein trauriger Anlass, aber ein willkommener Ausflug aus meinem Gefängnis.«
»Ich hoffe, Ihr werdet nicht mehr lange hier ausharren müssen.«
»Hm.« Er klang halb amüsiert, halb verächtlich. »Das hat Gloucester vor fünf Jahren auch gesagt. Aber wenn du die Wahrheit wissen willst: Ich habe das Gefühl, dass meine Tage in England gezählt sind. Ich denke, es wird Zeit, die Fackel meinem Sohn zu übergeben.«
Alan nickte. »Ich bin sicher, er brennt darauf.«
Sie lächelte schmallippig über sein wenig geistreiches Wortspiel. »Ganz gewiss. Er ist genauso ehrgeizig und ungestüm wie sein Vater, dieser fürchterliche Mensch.«
Alan unterdrückte ein Grinsen. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass die Kaiserin gar kein so übler Kerl war. Er verneigte sich im Sattel. »Lebt wohl, Majesté .«
»Oh nein. Du wirst schön hierbleiben. Du hast zwei Nächte nicht geschlafen und kannst schwerlich an einem Kloster haltmachen, nicht wahr?« Sie ritt ins Torhaus, und ohne sich nach ihm umzuschauen, fuhr sie fort: »Ich erwarte dich zur Mittagsstunde in meinen Gemächern, dann machen wir Pläne. Sei ausgeruht und untersteh dich, zu spät zu kommen.«
Seufzend folgte Alan ihr in die Burg. »Man kann merken, dass Ihr eine Enkelin des Eroberers seid, Madame.«
»Woran?«
»Am Ton.«
Sie gab ein kurzes, höhnisches Lachen von sich. »Jedem das Seine. Du hast seinen Schwertarm geerbt, heißt es. Der hätte mir nichts genützt. So blieben nur der Ton und der Wille zur Macht. Bonne nuit , Bastardneffe.«
Helmsby, November 1147
Graupel war am frühen Morgen gefallen, und die kleineren der ungezählten Seen und Tümpel in den Fens
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