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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sie ihn immer gehasst hatte, weil sie ihn für den Tod seines Vaters – ihres über alles geliebten kleinen Bruders – verantwortlich machte. Aber er stellte fest, dass er ihr das nicht mehr übel nahm, nachdem er erkannt hatte, dass er selbst in dieselbe Falle getappt war. »Madame, ist es das Wetter, das Ihr scheut?«, fragte er. »Denn wenn wir nicht bald losreiten, wird es Tag, eh wir ankommen, und wir werden Stephens Schlächtern in die Hände fallen.«
    »Worauf wartest du dann? Hol mir den Mantel, du Flegel.«
    Sie gelangten unbehelligt nach Bristol, als die nachtschwarzen Wolken sich im Osten gerade dunkelgrau verfärbten.
    Eine gedämpfte Betriebsamkeit herrschte auf der Burg, Menschen eilten geschäftig bald hierhin, bald dorthin, aber sie sprachen mit leisen Stimmen, und man hörte niemanden lachen. Bristol Castle war bereits ein Trauerhaus.
    Alan hatte die Kaiserin sicher an der Tür zu Gloucesters Privatgemächern abgeliefert, saß allein in dem kalten, unwirtlichen Vorraum und wartete, als Gloucesters Sohn William die Treppe heraufkam.
    »Alan! Die Wache sagte mir, dass du gekommen bist.«
    Alan nickte ihm zu. »Wie steht es?«
    Sein Cousin schüttelte seufzend den Kopf. »Es wird nicht mehr lange dauern, sagt der Arzt.«
    Alan lehnte sich mit den Schultern an die kalte Mauer und schaute zu ihm hoch. »Dann wird es auch nicht mehr lange dauern, bis du Earl of Gloucester wirst.«
    Der schlaksige William mit den wilden Locken und den großen, staunenden Augen wirkte wie ein verlorenes Lamm in einem Platzregen. »Daran darf ich gar nicht denken«, gestand er.
    »Du wirst es schon gut machen«, sagte Alan beschwichtigend.
    William sank neben ihm auf die Bank. »Aber was werden wir nur tun, Alan? Was können wir tun, wenn mein Vater nicht mehr da ist?«
    »Kein Mensch ist unersetzlich. Aber auf jeden Fall werden wir uns zusammensetzen und überlegen müssen, wo wir stehen. Was genau wir eigentlich wollen. Die Kaiserin wird uns ihre Wünsche mitteilen, da bin ich sicher, und dann müssen wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen wollen.«
    »Wenn ich dir die Wahrheit sagen soll, Alan: Mir wär’s das Liebste, wir würden Frieden mit Stephen schließen. Sind wir doch mal ehrlich, er ist im Grunde kein so übler Kerl. Und er hat die Nase vorn. Ich bin diesen Krieg satt .«
    »Wer ist das nicht«, stimmte Alan zu, aber gleichzeitig dachte er beklommen: Du bist ein Feigling, William. Das warst du immer schon. Deine Gründe, warum du diesem Krieg ein Ende machen willst, sind die falschen. Er ist dir unbequem, und du fürchtest dich, Risiken einzugehen. Dein Vater war der Pfeiler, auf dem die Macht der Kaiserin ruhte. Du bist ein Strohhalm. »Wir dürfen jetzt nicht aufgeben, William. Der Verlust deines Vaters ist ein schwerer Schlag für unsere Sache, daran kann es keinen Zweifel geben, aber wir müssen durchhalten, bis der junge Henry Plantagenet alt genug ist, um herzukommen und seinen Anspruch durchzusetzen.«
    »Aber wieso?«, fragte William verständnislos. »Was kümmert uns sein Anspruch? Er ist Franzose. Was geht England ihn überhaupt an?«
    »Wieso?«, wiederholte Alan fassungslos. »Weil er unser Cousin ist. Und weil das Lebenswerk deines Vaters verschwendet wäre, wenn wir es nicht tun.«
    William seufzte tief und nickte unwillig. »Du hast natürlich recht. Nur gut, dass du wieder da bist.« Er lächelte ihn kläglich an. »Ich werde deine Hilfe brauchen, schätze ich.«
    Dann lass uns hoffen, dass du sie auch annimmst, wenn es hart auf hart kommt, dachte Alan.
    Es war schon Abend, als er endlich zu seinem Onkel gerufen wurde.
    Die kostbaren Brokatvorhänge des Bettes waren zurückgeschoben. Drei Kerzen standen auf der Truhe daneben und flackerten in der Zugluft. Robert of Gloucester lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. In den drei Monaten, die seit Alans Besuch vergangen waren, war er bis auf die Knochen abgemagert, und der Kopf wirkte eigentümlich klein, das dicke Kissen geradezu lächerlich riesig im Vergleich.
    Die Lider öffneten sich, als Gloucester den leisen Schritt hörte. »Alan.«
    »Mylord.«
    Die knochige alte Hand, die auf der Decke lag, schob sich in Alans Richtung. Er setzte sich auf die Bettkante und umschloss sie mit seinen beiden.
    »Heute Nacht besteige ich endlich das White Ship , mein Junge.«
    »Möge es Euch an glückliche Ufer tragen.«
    »Es war eigentlich meins, wusstest du das?«
    Alan schüttelte den Kopf. Er konnte seiner Stimme nicht trauen.
    Gloucester

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