Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
unsanft ins Stroh fallen.
    Reginald den Warenne stand mit verschränkten Armen an den Stützpfeiler gelehnt, an welchem seine Kette befestigt war, hatte lässig die Knöchel gekreuzt und blickte auf seinen unfreiwilligen Besucher hinab. »Meine Freunde und ich hätten gern gehört, was Ihr über einen gewissen Kreuzfahrermantel wisst, Monseigneur«, eröffnete er ihm mit kultivierter Stimme und seinem liebenwürdigsten Lächeln. Seine Augen glommen.
    Haimon lag gefesselt zu seinen Füßen auf dem Rücken, und als er Regy ins Gesicht sah, erkannte er offenbar, was er vor sich hatte, denn seine Augen quollen hervor, und er bepinkelte sich.
    »Versuch, dich zu beherrschen, Regy«, bat Simon. »Es wär zwar nicht besonders schade um ihn, aber tot nützt er uns nichts.«
    »Ich weiß, Augenstern. Jetzt verschwinde lieber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was ich mir ausgedacht habe, das Richtige für dein zartes Gemüt ist.«
    Simon verspürte einen heißen Stich in der Magengegend. Wie kann ich das tun?, fragte er sich auf dem Weg nach draußen. Welch ein Ungeheuer muss ich sein, dass ich so etwas tun kann?
    Er hatte die Tür noch nicht ganz geschlossen, als er gedämpft durch den Knebel Haimons ersten Schrei hörte.
    Simon, King Edmund, Godric und Wulfric beteten jeweils fünf Paternoster und fünf Ave Maria , ehe Simon mit den Zwillingen hineinging, um Haimon zu fragen, ob er bereit sei zu reden. Haimon war zäher, als sie ihm je zugetraut hätten. Sie mussten zweimal unverrichteter Dinge wieder gehen. Beim dritten Mal waren die Schreie im Innern der Kammer so erbarmungswürdig, dass sie King Edmund packen und festhalten mussten, damit er nicht einschritt, und als sie das nächste Mal durch die Tür traten, war Regys Gesicht eine blutverschmierte Teufelsfratze. Weit weniger blutüberströmt war Haimon, der sich dennoch zusammengekrümmt und jaulend im Stroh von einer Seite auf die andere wälzte und emsig nickte.
    »Du weißt, dass mein Vater uns mit offenen Armen aufnehmen würde, oder?«, flüsterte Miriam.
    Alan hörte die Sehnsucht in ihrer Stimme. Natürlich vermisste sie ihre Familie, wusste er, vor allem ihren Vater und den kleinen Moses, die vertrauten religiösen Rituale, die den jüdischen Alltag bestimmten, die Synagoge und den Sabbat. Er zog sie näher, bis sie beinah Nase an Nase lagen. Sie hatten sich vor dem Herd auf Gunnilds Küchenboden gebettet. Eine Decke im Stroh musste als Matratze herhalten, eine zweite hatten sie über sich gebreitet.
    Alan legte beide Arme um seine Frau. »Früher oder später würde die jüdische Gemeinde deinem Vater zusetzen, wenn er uns aufnimmt. Das sollten wir uns allen lieber ersparen.«
    »Also Woodknoll. Und dann?«
    »Dort bleiben wir, bis Großmutter, Oswald und King Edmund sich ein wenig eingewöhnt haben. Das wird für keinen von ihnen leicht. Dann gehen du und ich in die Normandie. Ich habe noch Ländereien in Lisieux. Jedenfalls nehme ich das an. Henrys Vater herrscht über das Land, also wird er sie mir wohl nicht vorenthalten. Wenn wir uns eingerichtet haben, holen wir die anderen nach und … werden Normannen.«
    Er sagte es ohne großen Enthusiasmus. Er wusste, er hätte dankbarer sein sollen, dass es noch einen Ort auf der Welt gab, den er sein Eigen nennen konnte, aber er war niemals aus England fort gewesen. Die Normandie war nur das Land, aus dem seine Vorfahren stammten. Sie bedeutete ihm nichts.
    »Wir gehen also in die Verbannung?«, vergewisserte Miriam sich.
    Er seufzte leise. »So fühlt es sich jedenfalls an.«
    Die Glut im Herd war abgedeckt, die Läden geschlossen; es war sehr dunkel. Dennoch sahen sie das Weiße in den Augen des anderen leuchten. Alan ergriff eine der dicken, schwarzen Haarsträhnen seiner Frau und strich sich damit über die Wange. Der vertraute Duft ihres Haars hüllte ihn ein, und er atmete tief durch. Er zögerte, weil nur eine dünne Bretterwand sie von der Kammer trennte, in der Gunnild, Oswald und seine Großmutter schliefen.
    Miriam fuhr mit den Lippen über seinen Hals. »Wir werden ganz leise sein«, flüsterte sie.
    Er nickte, obwohl sie es vermutlich nicht sehen konnte, schob sein Knie zwischen ihre Beine und mit der Rechten ihre Röcke hoch. Gerade wollte er auf sie gleiten, als es polternd an der Tür klopfte. Erschrocken stoben Alan und Miriam auseinander und zogen die Decke hoch. Schon öffnete der Besucher stürmisch die Tür. Alan erkannte, dass trübes, graues Morgenlicht hereinfiel. Es wurde

Weitere Kostenlose Bücher