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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Agatha.
    Alan lachte in sich hinein. »Erlaubst du, dass ich das hier eben fertig mache? Du kannst zuschauen und etwas lernen.«
    Becket seufzte leise. »Bitte, wenn du darauf bestehst. Mangelt es dir an Knechten, Alan?«
    Der schüttelte den Kopf und rutschte auf den Knien zu dem nächsten Kälbchen, das nah der Bretterwand des Pferchs im Stroh döste. »Sie eggen, sie pflanzen Lauch und Zwiebeln und Flachs … Im Frühjahr haben die Tage nie genug Stunden für all die Arbeit. Und mein Steward ist in Blackmore.«
    »Und außerdem macht es dir Spaß«, mutmaßte Becket.
    »Wenn du es so nennen willst.« Wer so viel Leben vernichtet hat wie ich, tut gut daran, Leben zu hegen und gedeihen zu lassen, dachte Alan. »Aber falls du bis morgen bleiben kannst, reite ich mit dir zur Jagd. Ich habe einen neuen Falken, den musst du dir ansehen.«
    Becket schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich fürchte, das müssen wir verschieben. Ich will gleich morgen früh weiter, denn ich bin im Begriff, nach Rom zu reisen.«
    »Dann sieh dich nur vor, dass du nicht ins Wasser fällst«, spöttelte Alan und fragte nicht, was Becket in die Heilige Stadt führe.
    Seit Simon de Clare sie vor drei Jahren miteinander bekannt gemacht hatte, zählte Alan Thomas Becket zu seinen wenigen Freunden. Andere mochten ihn einen eitlen Geck und ehrgeizigen Ränkeschmied nennen, aber Alan schätzte Beckets bissigen Humor, seinen Scharfsinn und ganz besonders seine Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Eine seltene Gabe bei Kirchenmännern, wusste er. Was er hingegen nicht schätzte, war, dass Becket ihn stets in die Welt von Politik und Krieg zurücklocken wollte.
    Becket verschränkte die Arme auf einem Querbalken und beugte sich vor. »Es ist Eustache de Boulogne, der mich zu dir führt.«
    Alan antwortete nicht, legte die Hand unter das Kinn des Kälbchens und füllte den Trichter geschickt aus der hölzernen Kelle. Aller Frohsinn sickerte aus seinem Herzen wie Sandkörner aus einem Stundenglas.
    »Alan …«, drängte Becket leise, aber beharrlich.
    Der schaute auf. »Das hier ist weder die Zeit noch der Ort«, entgegnete er mit einem vielsagenden Blick auf seine Tochter.
    Becket hob die Hände zu einer Geste der Entschuldigung und wartete mit mühsam bezähmter Ungeduld, bis das Kalb abgefüttert war.
    Schließlich stand Alan auf und klopfte sich Strohhalme von den Knien. »Oswald, wärst du so gut, den Rest zu erledigen?«
    »Sicher.« Oswald sah nicht auf. Die Gegenwart des eleganten Normannen machte ihn scheu.
    »Danke.« Alan streckte die Hand aus. »Komm, Agatha.«
    »Ich bleib bei Oswald«, beschied diese.
    »Kommt nicht infrage. Du würdest irgendeinen irrsinnigen Plan zur Befreiung meiner Kälber aushecken. Außerdem wartet King Edmund mit dem Leseunterricht auf dich, schon vergessen?«
    »Aber …«
    »Agatha.«
    Sie verzog das Gesicht, stapfte in stummem Protest zu ihrem Vater herüber und ergriff die Hand.
    Im vorletzten Herbst hatte Cuthbert der Schmied sich bei der Arbeit an einem seiner Werkzeuge verletzt. Nach zwei Tagen war die Wunde brandig geworden, und eine Woche später war Cuthbert gestorben. Alan hatte seine Tochter aus Metcombe nach Helmsby geholt, und sowohl er selbst wie auch seine Frau taten alles, um ihr ein warmes Nest zu geben. Doch es war nicht immer einfach. Agatha sträubte sich gegen alle Bemühungen, etwas anderes aus ihr zu machen als das Bauernmädchen, das sie war. Sie lernte nur unwillig Normannisch, und manchmal begegnete sie ihrer jüdischen Stiefmutter, ihren beiden kleinen Geschwistern und auch ihrem Vater mit tiefem Misstrauen. Dann wieder gab es Tage, da sie so anhänglich war, dass sie wie eine kleine Klette an ihm oder Miriam hing, und man bekam eine Ahnung davon, wie groß ihre Furcht davor war, wieder verlassen zu werden.
    Er führte seine Tochter und seinen Gast aus dem Stallgebäude zum Brunnen im Burghof, schöpfte und goss das Wasser in einen zweiten Eimer, in welchem er sich gründlich Hände und Unterarme wusch. Unaufgefordert folgte Agatha seinem Beispiel und machte Anstalten, den schweren Eimer aufzuheben. Alan hielt sie mit einer Geste zurück, nahm das Gefäß und schüttete den Inhalt in einem schimmernden Bogen auf die Beete des nahen Küchengartens, wo sich die ersten, zartgrünen Halme zeigten.
    Dann gingen sie Richtung Motte.
    »Kommst du aus Canterbury?«, fragte er seinen Gast.
    »Aus Norwich.«
    Alan wandte den Kopf. »Tatsächlich?«
    »Dein Schwiegervater hat sein Hospital

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