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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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richtigen Entscheidungen trefft, habt Ihr gute Aussichten, die mächtigste Frau der Welt zu werden.« Er lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen unter dem Kinn zu einem Dach zusammen und sah Aliénor unverwandt an.
    Sie hatte den Blick zum Fenster gewandt und dachte nach. »Ein Köder voller Widerhaken«, murmelte sie.

Helmsby, April 1152
    »Halte den Trichter gerade, Agatha, sonst verschüttest du die Milch«, warnte Alan. »Schau, wie Oswald es macht. So ist es richtig.«
    Er war einen Schritt zur Seite getreten, hatte die Hände in die Seiten gestemmt und sah seiner Tochter und Oswald zu, die jeder ein Kälbchen mit Trichter und Kelle aus einem Milcheimer fütterten. Oswalds Kalb trank munter, aber Agathas fand diese neue Fütterungsmethode offenbar höchst suspekt, denn allenthalben hörte es auf zu trinken und fing an zu jammern.
    »Sie will zurück zu ihrer Mutter«, erklärte Agatha und ließ den Trichter sinken. Der Inhalt versickerte im Stroh.
    »Was habe ich dir gerade gesagt«, schalt Alan seufzend. »Ich wusste doch, du bist noch zu klein dafür.«
    »Bin ich überhaupt nicht«, entrüstete sich die Siebenjährige. »Aber können wir Josy nicht noch ein paar Tage bei ihrer Mutter lassen, Vater? Bitte!«
    Alan schüttelte den Kopf, kniete sich neben das Mädchen und nahm ihm den Trichter ab. Sehr viel geschickter fütterte er das Kalb, und auf einmal trank es folgsam und anscheinend mit großem Appetit. »Nächste Woche wird es auch nicht leichter. Aber Kälber müssen entwöhnt werden, genau wie Menschenkinder. Wenn wir es nicht tun, trinken die Kälber uns die ganze Milch weg. Wir hätten keine Butter und keinen Käse. Willst du das?«
    Agatha schüttelte unwillig den Kopf.
    »Na siehst du.« Alan nahm einen ihrer blonden Zöpfe und zog sacht daran.
    »Aber Josy ist so traurig«, warf Oswald ein.
    Alan bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Vielen Dank, dass du mir in den Rücken fällst, alter Freund.«
    »Ist aber wahr«, gab Oswald ungerührt zurück. »Ich weiß, es muss sein, aber es ist schwer.«
    Und für niemanden schwerer als für dich, wusste Alan.
    Oswald hatte während der friedlichen Jahre in Helmsby seine Bestimmung gefunden, und seine Bestimmung, hatte sich herausgestellt, waren Rinder. Er liebte sie, und sie vergötterten ihn. Er konnte schneller melken als jeder andere in Helmsby, er konnte wütende Bullen besänftigen, und während der Weidemonate ging er jeden Morgen durchs Dorf, öffnete Stalltüren, holte seine Schützlinge heraus und führte sie zusammen mit Alans Kühen auf die Weide, wo er meist mit ihnen blieb. Abends zum Melken brachte er sie zurück, und sie folgten ihm wie einem Leittier durchs Dorf, wo ein jedes von selbst in den Stall trottete, wohin es gehörte. Oswald blieb auf ein Schwätzchen mit den Bauern stehen, schaute beim Müller vorbei, legte hier und da beim Melken mit Hand an. Die Leute schätzten ihn für seine Fürsorglichkeit und das, was Emma seinen »Küheverstand« nannte, und wenn sie ihn gelegentlich sonderbar fanden, ließen sie es ihn nicht merken. Es war ein geruhsames Leben, das kaum besser auf einen jungen Mann mit einem schwachen Herzen hätte zugeschnitten sein können. Oswald war angekommen.
    Alan zog es vor, von weiteren Debatten über Kälberaufzucht Abstand zu nehmen, und konzentrierte sich lieber auf das, was seine großen Soldatenhände taten. Gerade bei Jungtieren musste er immer achtgeben, dass er nicht zu fest zupackte. »Da«, sagte er schließlich und zeigte nicht ohne Stolz auf sein Kalb. »Satt. Siehst du, Agatha? Plötzlich ist Josy ganz zufrieden mit der Welt.«
    »Aber könnten wir nicht …«
    Ein Räuspern von der Stalltür bewahrte Alan vor einer von Agathas berüchtigten Ideen.
    Alle drei wandten die Köpfe, und Alan lächelte, als er seinen Besucher erkannte. »Tom. Sei willkommen.«
    »Heißen Dank.«
    »Tritt ein. Hier ist nichts, was dich beißen könnte, du hast mein Wort.«
    Zögernd trat Thomas Becket über die Schwelle und achtete sorgsam darauf, wohin er die feinen Stiefel setzte. Kalbsleder, bemerkte Alan. Das sagen wir Agatha lieber nicht …
    Der Gast schlang sich den langen weinroten Mantel über den Arm, damit das edle Tuch nicht über den Stallboden schleifte. »Dringende Staatsgeschäfte führen mich zu Lord Helmsby«, bekundete er der niedrigen Decke. »Und treffe ich ihn bei der Falkenjagd an oder beim Fechten oder beim Lautespiel? Nein. Er füttert eine kleine Kuh.«
    »Kalb«, verbesserte

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