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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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denken. Gloucester hat die Geschichte immer als komische Episode abgetan, aber ich habe die Narben gesehen, als er schließlich gegen Stephen ausgetauscht wurde. Das war kein schiefgegangener Lausbubenstreich, Tom. Das war böse. Und nach allem, was ich höre, ist Eustache mit zunehmendem Alter nicht besser geworden. Also sei so gut und sag seiner Heiligkeit, er soll diesen Kelch an England vorübergehen lassen. Vielleicht kannst du ihn ja davon überzeugen, dass wir zur Abwechslung einmal einen guten König verdient haben.«
    Thomas Becket lehnte sich in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Kopfschüttelnd bemerkte er: »Ich glaube, ich habe dich noch nie so viel auf einmal sagen hören, Alan. Das war höchst aufschlussreich. Was Eustache de Boulogne betrifft, aber auch was deinen angeblichen Rückzug aus der Politik angeht.«
    Alan schüttelte ärgerlich den Kopf. »Du sagst es immer so, als wäre es meine Wahl gewesen«, hielt er Becket entgegen. »Das war es nicht. Aber ich bin exkommuniziert und selbst am Hof meines Cousins, des neuen Earls of Gloucester, Persona non grata . Das ist bitter, glaub mir, denn ich habe lange in diesem Krieg gekämpft und hätte ihn gern gewonnen, damit ich mir wenigstens vormachen kann, er hätte einen Sinn gehabt. Aber meine Hilfe ist nicht mehr erwünscht. Und es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte.«
    »Henry will deine Hilfe. Und er braucht sie.«
    »Henry ist in der Normandie.«
    »Aber seine Feinde sind hier . Kratz den Rost von deinem Schwert, Mylord. Es ist Eustache de Boulogne und kein anderer, der in den Fens sein Unwesen treibt.«
    Miriam hatte selbst gekocht, wie meistens. Zu Anfang war die Köchin ein wenig grantig darüber gewesen, aber inzwischen hatten sich alle daran gewöhnt, dass die Lady der Halle für sich und ihre Familie eigene Gerichte in eigenen Töpfen zubereitete, und niemand rührte ihre Vorratsfässer an. Was sie brauchte, besorgten sie und Alan bei ihren Besuchen in Norwich. An diesem Abend gab es geschmortes Lamm mit Rauke und dazu Fladenbrot, und nicht nur Thomas Becket schwelgte.
    »Werdet Ihr Henry und Simon besuchen, wenn Ihr auf den Kontinent reist?«, fragte Miriam ihn, nachdem er eine dritte Portion unter deutlichen Anzeichen von Ermattung abgelehnt hatte.
    »Gut möglich«, antwortete Becket. »Auch Henry muss erfahren, was Stephen vorhat. Ich bin allerdings nicht sicher, wo er sich aufhält. Er wird ja verrückt, wenn er mehr als zwei Nächte im selben Bett schlafen muss. Ah! Apropos verrückt. Da erscheint uns euer Heiliger.«
    King Edmund kam gelegentlich abends auf einen Becher Ale auf die Burg hinauf, sprach mit Alan über das Wetter, die Saat oder die Sorgen seiner Schäfchen und spielte mit Agatha oder mit Oswald eine Partie Mühle. Miriam und Alan war er immer willkommen.
    »Lass ihn ja zufrieden«, raunte Letzterer seinem Gast zu.
    »Mein lieber Alan, ich hege den größten Respekt für Euren King Edmund«, beteuerte der, doch es funkelte verräterisch in seinen Augen.
    »Gott segne euch«, grüßte King Edmund, und auf Alans einladende Geste ließ er sich ächzend in einen der Sessel an der hohen Tafel sinken. King Edmund kam in die Jahre.
    »Master Becket.« Es klang eine Spur kühl. Eitle Kirchenmänner in edlen Gewändern mussten damit rechnen, King Edmunds Missbilligung auf sich zu ziehen.
    »Vater Edmund«, erwiderte Becket aufgeräumt. »Wie kommt Ihr mit Eurem Boethius voran?«
    »Die Lektüre ist über die Maßen erbaulich. Aber meine Augen werden nicht besser, mein Sohn, darum ist es mühsam. Habt Ihr inzwischen endlich die Priesterweihe empfangen?«
    Becket biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. »Immer noch nicht, fürchte ich. Ich weiß auch nicht. Ich habe nie die Zeit.«
    »Was könnte wichtiger sein?«, konterte Edmund streng.
    »Die Belange der Welt und die Wünsche des Erzbischofs sind natürlich nicht wichtiger«, musste Becket einräumen. »Aber es hat den Anschein, als würden sie all meine Zeit und meine Gedanken in Anspruch nehmen.«
    »Vielleicht seid Ihr nicht berufen.«
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.« Der Schalk war aus seinen Augen verschwunden. »Woran merkt man es, Vater Edmund? Wie kann ein Mann je sicher sein, dass er berufen ist?«
    »Es gibt keine Sicherheit«, antwortete Edmund. »Das ist das Vertrackte, auch Berufung befreit nicht von Zweifeln. Aber Ihr spürt es, wenn Gott seinen Finger auf Euer Herz legt. Wenn es passiert, werdet Ihr es wissen.«
    Becket

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