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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nickte, ließ sich zurücksinken und trank versonnen einen Schluck. »Und habt Ihr nie mit Gott gehadert wegen des Opfers, das er Euch abverlangt hat?«
    »Oh ja, das habe ich«, räumte King Edmund mit einem schmerzlichen kleinen Lächeln ein.
    »Doch Ihr wart niemals versucht, ihm den Rücken zu kehren und davonzulaufen?«
    »Gott kann man nicht davonlaufen, Master Becket. Denkt nur daran, was dem armen Jonas passiert ist, als er es versucht hat: drei Tage im Bauch eines Fisches.« Er schüttelte sich.
    »Lieber das als gemartert und tot.«
    »Lieber gemartert und tot als von Gott verlassen.«
    »Tja.« Becket leerte seinen Becher. »Der Unterschied zwischen uns ist, mein Freund: Ihr seid ein Heiliger, und ich bin ein ganz gewöhnlicher Sünder.«
    Bist du das wirklich?, fuhr es Alan durch den Kopf, der genau wie Miriam schweigend gelauscht hatte und diskret unter dem Tisch mit den schmalen Fingern seiner Frau spielte. Bela, die junge Magd, die ihnen Rosinen in Mandelmilch und neuen Wein auftrug, war ein so hinreißend schönes Mädchen, dass Alans Puls sich jedes Mal beschleunigte, wenn sie ihm unter die Augen kam. Und er war nicht der Einzige. Jeder Mann in seiner Halle folgte ihr mit mehr oder weniger verstohlenen Blicken. Nur Thomas Becket schien einfach durch sie hindurchzusehen.
    »Vielleicht zieht er Männer vor, um seine Sünden zu begehen«, spekulierte Alan eine Stunde später im Schutz der geschlossenen Bettvorhänge.
    Miriam schnalzte leise, hob den Kopf von seiner Schulter und bedachte ihn mit einem strafenden Blick. »Alan, wie kannst du nur.«
    »Oh, ich weiß, bei euch ist es noch verbotener als bei uns – falls das möglich ist –, aber es kommt dennoch vor.«
    »Nur weil Thomas Becket mehr Beherrschung besitzt als Lord Helmsby und dessen Mägde nicht mit lüsternen Blicken verfolgt, unterstellst du ihm, er lasse sich mit Männern ein?«
    Alan zog verwundert die Brauen in die Höhe und richtete sich auf einen Ellbogen auf. »Höre ich eine verdeckte Unterstellung?«
    »Mag sein.«
    »Und wie lange, denkst du, werden wir verheiratet sein, ehe du anfängst, mir unumwunden zu sagen, was du meinst?«
    Sie lächelte schwach. »Noch ein Weilchen länger, so scheint es.«
    »Miriam … Ich habe sie nicht angerührt. Gott, ich kann nicht fassen, dass wir diese Unterhaltung führen. Ich habe überhaupt keine andere Frau angerührt, seit wir verheiratet sind. Ich dachte, das wüsstest du.«
    Sie sah ihm in die Augen, mit diesem geruhsamen, steten Blick, den niemand so beherrschte wie sie. »Ich war nicht sicher. Du hast es früher getan. Und jeder Mann in deiner Halle scheint es zu tun.«
    »Unsinn …«
    »Manchmal, Alan, seid ihr immer noch Fremde für mich. Selbst du. Auch nach fünf Jahren.«
    »Ich weiß. Mir geht es ebenso.« Er streckte sich wieder auf dem Rücken aus, boxte sein Kissen zurecht und zog seine Frau mit der anderen Hand näher. »Es hat mich nie gestört. Es gefällt mir, dass du ein ewiges Geheimnis bleibst. Wir kommen ganz gut zurecht, oder?« Schließlich hatte Miriam sich diesem Land und seinen Menschen immer verbunden gefühlt, auch schon bevor sie sich begegnet waren. Und seit sie mit ihm nach Helmsby gekommen war, hatten sie viele praktikable Kompromisse gefunden: Miriam hielt den Sabbat und die hohen jüdischen Feiertage ein, nahm aber ebenso an den Festen zu Weihnachten und Ostern in der Halle teil. Alan aß mit ihr koscher, sagte aber nicht Nein, wenn einer seiner Pächter ihm bei einem Besuch eine Scheibe Schinken anbot. Aaron hatte die Taufe empfangen und war zwei Tage später – zu Alans heimlichem Schrecken – in Norwich beschnitten worden. Wenn die Zeit kam, würden Josua und King Edmund ihn unterweisen, und eines fernen Tages würde Aaron seine Wahl treffen.
    »Ja«, antwortete sie. »Wir kommen gut zurecht.«
    »Ich glaube, jetzt höre ich Vorbehalte.«
    »Nein.«
    Alan seufzte. »Miriam …«
    »Es ist … Moses’ Bar-mizwa nächsten Monat. Mein kleiner Bruder wird ein Mann, und ich bin nicht dabei.«
    »Dann lass uns hinreiten.«
    »Du weißt, wie schwierig es ist. Wie die Leute im Judenviertel mich ansehen. Was sie hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Mir macht es nichts, aber für meinen Vater ist es schrecklich.«
    »Manchmal glaube ich, ihn quält vor allem die Sorge, das Getuschel und die bösen Blicke kränken dich. So seid ihr beide um des anderen willen bekümmert, und das ist albern. Wir reiten zu Moses Bar-mizwa , und bei der Gelegenheit könnte ich den

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