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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Finger, die ruhig in ihrem Schoß gelegen hatten, ergriff einen der goldenen Pokale auf dem Tisch und reichte ihn ihrem Gast. »Du hast dich verändert seit unserer letzten Begegnung.«
    »Inwiefern?«, fragte er über den Rand des Bechers hinweg und nahm einen ordentlichen Zug.
    »Du warst ein kleiner Angeber.«
    Er hob unbeeindruckt die Schultern. »Und du ein arrogantes Miststück. Das fördert nie meine schöneren Eigenschaften zutage.«
    Sie nahm seine Beleidigung ebenso gelassen wie er ihre. »Es schien der einzige Weg, dich auf Distanz zu halten. Dich ebenso wie deinen Vater. Die Dinge waren kompliziert genug. Es tut mir übrigens leid, dass er gestorben ist.«
    »Ah ja? Fehlt er dir?« Mit einem Mal war Henry derjenige, der sie reglos belauerte.
    Aliénor ergriff den zweiten Becher. Die Goldreifen klimperten, als sie trank, der Ärmel rutschte ein Stückchen nach oben und gab den Blick auf einen muskulösen, lilienweißen Unterarm frei. »War es sein Tod, der dich erwachsen gemacht hat?«
    »Ich glaube nicht, dass ich das bin oder je sein werde. Im Grunde verändere ich mich niemals. Ich bin wie ein Fluss: immer anders und doch immer derselbe.«
    »Und rastlos.«
    »Oh ja.«
    »Was sonst?«
    »Ungestüm, stur, jähzornig, manchmal nachtragend. Und du?«
    »Genau die gleichen Dinge. Und eine Frau mit Vergangenheit. Du solltest dir gut überlegen, ob du damit leben kannst, denn meine Vergangenheit ist ein Teil von mir. Ich schäme mich nicht dafür, und ich werde dir keine Rechenschaft darüber ablegen.«
    Henry dachte einen Moment nach und trank noch einen Schluck. »Solange deine Vergangenheit mir nicht irgendwann um die Ohren fliegt, soll sie mir gleich sein«, antwortete er schließlich. »Aber wenn du mich je betrügst – ganz gleich in welcher Weise −, mach ich dir das Leben zur Hölle.«
    Sie senkte die Lider und hatte offenkundig Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. »Und du? Wirst du mir treu sein?«
    »Vermutlich nicht.« Ungeniert ließ er den Blick über ihre Erscheinung gleiten, verharrte einen Moment auf ihrem großzügigen Dekolleté, kehrte dann zu ihrem Gesicht zurück. »Obwohl ich keine Frau kenne, die sich mit dir messen könnte.«
    Sie hob abwehrend die Hand und wandte den Kopf ab. »Das kannst du dir sparen.« Es klang frostig.
    Simon und die junge Alais wechselten einen beunruhigten Blick.
    Henry ergriff Aliénors Hand, nahm sie in seine beiden und rückte ein wenig näher an sie heran. »Ich habe gesagt, ich will dir den zeigen, der ich wirklich bin, also werde ich dich auch nicht anlügen. Ich war noch nie verheiratet. Die Erfahrungen der Vergangenheit legen indes den Schluss nahe, dass ich ein treuloser Lump von einem Gemahl sein werde. Aber wenn du mich trotzdem nimmst, werde ich dir die Welt zu Füßen legen. Ich meine das wörtlich, verstehst du. Ich werde England bekommen, und zusammen werden du und ich mächtiger sein als jeder andere Herrscher der Christenheit. Und wir werden Söhne bekommen, denen wir hinterlassen können, was wir erschaffen. Du und ich gemeinsam. Vermutlich wird es Tage geben, da du mich verfluchst, aber ich schwöre bei den Augen Gottes, Aliénor, du wirst dich nie wieder langweilen. Also, was sagst du? Wirst du mich heiraten?«
    Sie schaute ihn an, und als sie den Kopf bewegte, fiel ein Sonnenstrahl auf ihren rechten Ohrring und ließ die Perlen aufleuchten. Mit ernster Miene betrachtete die Herzogin von Aquitanien den so viel jüngeren Mann vor sich, ebenso schamlos, wie er es mit ihr getan hatte. Dann verzog der unverschämt rote Mund sich zu einem Lächeln. »Ich werde dich heiraten, Henry. Aber wenn du mich je betrügst – ganz gleich in welcher Weise −, mach ich dir das Leben zur Hölle.«
    Er lachte leise, legte die linke Hand an ihren Schwanenhals und liebkoste mit dem Daumen ihre Wange. »Erst musst du mich erwischen.«
    Blitzschnell drehte sie den Kopf und nahm seinen Daumen zwischen die Zähne. Offenbar biss sie ordentlich zu, denn Henry zog scharf die Luft ein.
    Aliénor ließ von ihm ab und sank scheinbar zufällig ein wenig tiefer in die Kissen hinab. »Alle Männer, die mich unterschätzt haben, haben diesen Fehler bitter bereut, mon amour . Die meisten sind tot. Aber ich lebe noch.«
    Henry legte die gemaßregelte Hand um ihren Oberarm, strich behutsam darüber und packte dann fest zu. Er betrachtete seine Braut, und seine Augen leuchteten. »Und was ist dein Geheimnis?«, fragte er.
    »Ich war stärker als sie.«
    Er lachte leise.

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