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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nicht heiraten.«
    Simon zog es vor, nicht zu antworten, sondern führte Henry stattdessen ins Innere des Turms, eine Marmortreppe hinauf und zu den Privatgemächern der Herzogin.
    Die Wache ließ sie passieren, und eine der jungen Hofdamen meldete sie. Nach wenigen Augenblicken kam sie zurück. »Wenn Ihr Euch noch einen Moment gedulden wollt, Monseigneur.«
    Henrys Miene wurde finster. »Ich bin ein schwerbeschäftigter Mann, Herzchen.«
    Sie ging nicht darauf ein, sondern trat mit einem unverbindlichen Lächeln durch die Tür, die sie leise, aber bestimmt hinter sich schloss.
    »Niedlicher Akzent und wundervolle Titten«, befand Henry. »Aber hochnäsig. Schade.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Sie ist alles andere. Alais de Langon. Ihr Vater ist der Kastellan von Bordeaux. Sie ist erst vor einem Jahr aus dem Süden hierhergekommen und spielt für die Herzogin die Laute.«
    »Ah, und du bist entbrannt«, stellte Henry augenzwinkernd fest.
    Simon hob mit einem kleinen Lächeln die Schultern. Er war natürlich nichts dergleichen. Allmählich beschlichen ihn Zweifel, ob er eines solchen Gefühls überhaupt fähig war, denn es war noch nie passiert. Aber Alais de Langon war ohne Zweifel ein Gottesgeschenk für einen einsamen Junggesellen wie ihn, und sie hatte ihm viele interessante Dinge über die Herzogin, ihr wundersames Land und seine noch viel wundersameren Bewohner erzählt.
    Es verging mindestens eine halbe Stunde, bis sie zurückkam und sie mit sittsam gesenktem Blick hereinbat.
    »Ich wollte gerade wieder gehen«, knurrte Henry und trat mit langen Schritten an ihr vorbei über die Schwelle. »Das ist kein guter Anfang, Aliénor. Wenn du glaubst, du kannst …« Er verstummte abrupt.
    »Mon très cher Henri« , grüßte die Herzogin, und ein Lächeln lag in ihrer warmen Stimme. »Entschuldige, dass ich dich warten ließ.«
    Sie saß auf einem Möbelstück, wie Simon es nie zuvor gesehen hatte: niedrig wie ein Sessel, lang wie ein Bett, übersät mit sahneweißen Seidenkissen in allen nur denkbaren Größen. Simon fand, es wirkte orientalisch. Und sündig, fügte er mit einem unterdrückten Grinsen hinzu.
    Gemeinsam mit Alais war er Henry in Aliénors Gemach gefolgt, um den Anstand zu wahren. Unauffällig setzte er sich zu der jungen Hofdame auf die Fensterbank und beobachtete, wie Henry und Aliénor einander in Augenschein nahmen.
    »Ich würde sagen, das Warten hat sich gelohnt«, bekannte der junge Herzog.
    Aliénor trug eine Seidenkotte von der gleichen Farbe wie die Kissen, die sie umgaben, ein ärmelloses, goldbesticktes Überkleid aus mitternachtsblauem Tuch und die scharlachroten Amazonenstiefel, für die sie berühmt war. Exakt den gleichen Ton hatte ihre Lippenschminke. Goldreifen in jeder denkbaren Breite und Machart klimperten an beiden Armen. Ein Diadem aus Perlen und Topasen hielt ihr duftiges Couvre-chef , an den Ohren baumelten Perlengehänge.
    »Es gefällt dir?«, erkundigte sie sich.
    Henry legte den Kopf schräg und nickte dann. »Es ist … exotisch. Ich habe noch nie so rote Lippen gesehen. Oder Schuhe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Frauen gibt, die sich das erlauben könnten, ohne auszusehen wie die Konkubine des Kalifen von Bagdad, aber du siehst aus wie eine Königin.«
    »Danke.« Sie ließ ihn nicht aus den Augen, ihre Miene eigentümlich ernst, ihre Haltung reglos. »Setz dich zu mir.«
    Er kam der Aufforderung nach, bemerkte aber: »Ich fürchte, ich wirke neben dir ein bisschen schäbig in meiner Jagdmontur.« Er wies auf sein erdbraunes Gewand und die abgewetzten Stiefel. Wie üblich war seine Kleidung schlicht und abgetragen, wie üblich peinlich sauber.
    »Zumindest ist dein bescheidenes Gewand sehr fachmännisch geflickt«, neckte sie.
    »Hm. Das mache ich selbst, weißt du.«
    »Ist das wahr?« Sie schien ehrlich verblüfft.
    »Ungefähr die einzige Betätigung, bei der ich so etwas wie Geduld aufbringen kann.« Für einen Moment wirkte er beinah verlegen. Dann breitete er kurz die Hände aus. »Jedenfalls habe ich mir gedacht, besser, ich zeige dir, wie ich wirklich bin. Darum der Aufzug.«
    Aliénor nickte. »Das Gleiche habe ich auch gedacht. Darum der Aufzug.«
    »Ich könnte mich an das gewöhnen, was ich sehe«, gestand er lächelnd.
    Simons Nervosität ließ nach. Henrys Lächeln hatte exakt die richtige Dosierung, fand er. Weder schüchtern noch gar zu siegesgewiss.
    Aliénors Haltung entspannte sich ein wenig. Sie löste die ineinander verschränkten

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