Hiobs Brüder
jetzt zum König krönt, wie er es wollte.«
»Ist das wahr?«, fragte Simon erleichtert. »Die Vorstellung hat Henry schlaflose Nächte bereitet.«
Becket nickte, offenbar höchst zufrieden mit sich selbst. »Dann richte ihm aus, den glücklichen Ausgang dieser Entscheidung hat er allein mir zu verdanken. Ich habe mir redlich Mühe gegeben, dem Papst in den grellsten Farben zu beschreiben, was für ein grausamer, gottloser Wüterich Eustache de Boulogne ist. Ich habe maßlos übertrieben, fürchte ich. Aber es hat seinen Zweck erfüllt.«
Simon hob ihm den Becher entgegen. »Gut gemacht, Tom.« Er trank einen kleinen Schluck.
»Und jetzt?«, fragte Becket. »Was habt ihr für Pläne?«
»Oh, nichts Besonderes«, antwortete Wulfric. »Wir wollen nur mal in Wallingford vorbeischauen.«
» In der Burg, meint er«, sagte Godric.
Becket schnalzte missbilligend. »Könnt ihr nicht ein einziges Mal ernst sein? Das hier ist schließlich hohe Politik und …« Er verstummte abrupt, als er die Blicke sah, die die drei Gefährten tauschten. »Es ist wahr?«, fragte er dann, und es klang ungläubig. »Ihr seid ja nicht bei Trost.«
Simon lächelte schmallippig. »Der ehrwürdige Abt von St. Pancras wäre sicher ganz deiner Meinung …«
Becket fegte das ungeduldig beiseite. »Simon, König Stephen belagert diese Burg mit allem, was er hat.«
»Zu Recht. Denn wer Wallingford hält, kontrolliert das Themsetal, und die Männer der Garnison gehören zu den standhaftesten Anhängern, die Henry in England hat.«
»Richtig.« Becket kippte seinen Schemel nach hinten, bis er mit den Schultern an die Mauer stieß. »Darum hat Stephen auf dem gegenüberliegenden Flussufer eine zweite Burg errichten lassen, um Wallingford in Schach zu halten und dafür zu sorgen, dass keine Maus hinein- oder herauskommt.«
»Ja, ich weiß, es wird nicht leicht. Aber diese Männer müssen erfahren, was vorgeht, damit sie nicht den Mut verlieren und auf den Gedanken kommen, Henry hätte sie im Stich gelassen. Wir brauchen Wallingford, Tom.«
»Und wie stellst du dir das vor?«, fragte sein Freund zweifelnd. Mit einer Geste auf die Zwillinge fügte er hinzu: »Ihr seid nicht gerade unauffällig.«
»Ich lasse mir etwas einfallen«, stellte Simon vage in Aussicht.
»Darin ist er unübertroffen«, erklärte Wulfric zuversichtlich.
»Hast du von Alan gehört?«, fragte Simon ihren Gastgeber, um das Thema zu wechseln.
Becket nahm eine Walnuss aus der Schale auf dem Tisch und knackte sie zwischen den Handflächen. »Ich war dort«, antwortete er und berichtete, was er gehört und gesehen hatte. »Es ist bestimmt kein einfaches Leben«, schloss er mit einer kleinen Geste der Ratlosigkeit. »Ich werde nie begreifen, wie er das alles nur für eine Frau auf sich nehmen konnte. Sie leben nicht viel besser als die Garnison von Wallingford: Die Zugbrücke ist immer geschlossen und gut bewacht, weil er ständig fürchten muss, irgendwer könne kommen, um ihn aus Helmsby zu verjagen. Stephens Urkunde, die ihn enteignet, hat sich ja nicht in Staub aufgelöst. Jeder, der ein Auge auf Helmsby geworfen hat, könnte sie hervorzaubern. Allen voran natürlich Haimon de Ponthieu, dieses abscheuliche Unkraut in Menschengestalt. Er hat seine Cousine übrigens geheiratet, stellt euch das vor. Ersten Grades. Es ist so inzestuös, dass einem schlecht wird, wenn man nur daran denkt, aber seit Haimon es mit König Stephen hält, hat er natürlich auch den mächtigen Bischof von Winchester zum Freund. Der hat sie getraut.«
»Was ?« , riefen die drei Freunde wie aus einem Munde.
Becket nickte grimmig. »Ja, wir konnten es hier auch kaum glauben, als wir es hörten. Aber es stimmt. Henry of Winchester hat ihnen persönlich Dispens erteilt und den Bund gesegnet. Also während Haimon mit seiner Cousine in Blutschande Bälger zeugt – sie haben schon drei – und in Saus und Braus in Fenwick lebt und sich in königlicher und kirchlicher Gunst sonnt, fristen Alan und die Seinen ein Dasein in ständiger Ungewissheit und Gefahr. Und in Einsamkeit. Ein exkommunizierter Mann mit einer jüdischen Frau hat nicht viele Freunde.«
»Mir kam er nicht so unglücklich vor, als wir ihn letztes Jahr besucht haben«, wandte Wulfric ein.
Becket schüttelte langsam den Kopf. »Nein, er ist nicht unglücklich, im Gegenteil. Aber er führt nicht das Leben, das ihm bestimmt ist, und das weiß er ganz genau. Er verschwendet seine Talente an die Rinderzucht. Dabei ist er derjenige, den wir
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