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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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schauderhaften Wetter auf schlammigen Straßen mit dem Karren einfach nicht zu schaffen gewesen. Während der ganzen Reise war Godric kein einziges Mal zu sich gekommen, aber sein Herz schlug noch.
    Alan und Simon hatten die Zwillinge ins Hospital gebracht, damit Josua nicht wieder in die Verlegenheit geriet, nicht jüdische Patienten unter seinem Dach beherbergen zu müssen. In einer hellen, warmen Kammer im Obergeschoss des Hauptgebäudes lagen Godric und Wulfric seither in einem Bett mit sauberen Laken, und Josua hatte für sie getan, was er konnte. Die Striemen und Wunden waren gut abgeheilt. Aber Godrics Bewusstlosigkeit schien von Tag zu Tag tiefer zu werden. Irgendwann auf der Reise hatte er Fieber bekommen, das sich einen Tag später auch bei seinem Bruder einstellte. Seither stieg und fiel es wie die Flut des Meeres, und beide Zwillinge wurden zusehends schwächer.
    »Ich fürchte, dein Bruder hat den Schädel gebrochen, Wulfric«, hatte Josua ihm eröffnet.
    »Man kann sich den Schädel brechen? So wie ein Bein?«, hatte Wulfric erstaunt gefragt.
    »So ähnlich, ja.«
    »Und … kann er nicht wieder heilen? Wie ein gebrochenes Bein?«
    Josua hatte zögernd genickt. »Es kommt vor. Aber ich fürchte, Godric ist zu geschwächt.«
    »Wie sind seine Chancen?«
    »Sehr gering. Wenn … wenn du mir erlauben würdest, euch zu trennen, bestünde wenigstens für dich Hoffnung.«
    »Kommt nicht infrage. Nicht, solange er noch atmet.«
    »Aber auch du wirst schwächer vom Fieber. Wir können nicht mehr lange warten, verstehst du.«
    »Nicht, solange mein Bruder noch atmet.«
    Und dabei war es geblieben.
    Simon und Alan wachten abwechselnd mit Josuas Söhnen bei den Zwillingen und flößten Godric tropfenweise Wasser ein, damit er nicht verdurstete. Mehr konnten sie nicht tun.
    »Wäre ich doch nur einen Tag eher zu Stephen geritten«, murmelte Alan.
    Simon betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Es ist Unsinn, dass du dir Vorwürfe machst. Es war unsere Entscheidung, Wallingford mit neuen Vorräten zu versorgen. Du hattest im Grunde doch gar nichts damit zu tun. Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass du gekommen bist. Aber eigentlich brauchen wir kein Kindermädchen.«
    Sie saßen auf der Bettkante, Simon auf Wulfrics Seite, Alan auf Godrics, und sie sprachen leise, denn Wulfric war eingeschlafen. Er sah kaum besser aus als sein Bruder, bleich, die unrasierten Wangen eingefallen.
    »Ich kann kaum fassen, welches Risiko du für uns eingegangen bist«, fuhr Simon fort. »König Stephen hat dich geächtet. Wenn irgendwer an seinem Hof dich erkannt hätte, wäre die Reise in Westminster für dich vorbei gewesen.«
    Alan zeigte ein kleines, grimmiges Lächeln und antwortete nicht. Er tauchte den Zipfel eines sauberen Leintuchs in die Wasserschale und benetzte Godric damit die Lippen. Die Knöchel seiner rechten Hand waren abgeschürft. Alan ließ sich kein Wort über seinen gefährlichen Botengang zu König Stephen entlocken, aber reibungslos war er nicht verlaufen, so viel stand fest.
    »Du solltest zu Henry zurückkehren«, sagte Alan. »Er muss erfahren, was hier vorgeht.«
    »Ja, ich weiß«, gestand Simon. »Aber ich kann nicht gehen, eh ich weiß, was aus Godric und Wulfric wird.«
    Alan warf ihm einen Blick zu, der so viel sagte wie: Wir wissen doch beide, was aus ihnen wird .
    »Sie haben Frauen«, rief Simon ihm mit unterdrückter Heftigkeit in Erinnerung. »Godric hat zwei Söhne, Wulfric eine kleine Tochter. Was soll ich ihnen sagen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe so oft vor den Witwen und Waisen der Männer gestanden, deren Leben dieser Krieg gefordert hatte, aber ich habe die richtigen Worte nie gefunden. Vermutlich gibt es sie einfach nicht.«
    »Wäre es doch nur der Krieg gewesen, der sie das Leben gekostet hat. Das wäre wenigstens ehrenhaft.«
    »Aber es war Haimon, ich weiß. Mein Cousin. Der Rache an ihnen genommen hat, weil sie und du damals die Wahrheit aus ihm herausgeholt habt. Für mich . Also erzähl mir nicht, diese Sache ginge mich nichts an.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Ich sag dir, warum sie jetzt so daliegen, Alan: weil sie zusammengewachsen sind. Missgebildet. Wäre das nicht der Fall, hätte Haimon sie einfach erschlagen oder aufgehängt. Aber so hat er sie an den Pranger gestellt, sie zu einer … Jahrmarktsattraktion gemacht und zu seinen Männer gesagt: Na los, lasst eure üble Laune an ihnen aus. Ihr dürft tun, was ihr wollt, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, denn

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